
Berlin, 24. Nov (Reuters) - Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen hat sich im November überraschend eingetrübt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 88,1 Zähler, nach 88,4 Punkten im Oktober, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hingegen mit einem Mini-Anstieg auf 88,5 Zähler gerechnet. In ersten Reaktionen hieß es dazu:
ANDREAS SCHEUERLE, DEKABANK:
"Die mit dem Regierungswechsel verbundenen Hoffnungen verflüchtigen sich und machen einer Ernüchterung Platz: Die Sondervermögen werden teilweise zweckentfremdet, die Rentenpläne von Wissenschaft und Unternehmen abgelehnt und ein großer Reformwurf steht weiterhin aus. In den kommenden sechs Monaten sehen die Unternehmen nur einen begrenzten Spielraum, um der anhaltenden Stagnation zu entkommen."
JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:
"Der Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas zeigt erneut, dass dieser wichtige Frühindikator kein starkes Aufschwungsignal sendet. Stattdessen schleppt er sich seit Anfang des Jahres nach oben. Die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe bewegen sich sogar nur seitwärts. Das alles passt zur deutschen Wirtschaft, die unter einem politisch gemachten Reformstau und unter Gegenwind vom Welthandel leidet. Ohne das Schuldenpaket würde kaum ein Volkswirt für das kommende Jahr mehr Wachstum prognostizieren."
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:
"Das Geschäftsklima dürfte vor allem wegen der zögerlichen Politik durchhängen. Vor allem die Lagebeurteilung bleibt grottig. Problematisch ist, dass die Zukunftshoffnungen schon wieder fallen. In diesem Umfeld dürfte Abwanderungsgedanken von Unternehmen nicht der Stecker gezogen sein. Ohnehin sind Klagen über Wettbewerbsnachteile und Materialmangel seit Langem hörbar. Man möchte sich gar nicht ausmalen, was geschieht, wenn der Schub durch das Fiskalpaket weitgehend ausbleibt. Umso wichtiger ist es, dass Standortnachteile von der Bundesregierung endlich repariert werden. Auf den ausgebliebenen Herbst der Reformen darf nicht ein Winter mit Tiefschlaf folgen."
JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:
"Eine weitere Enttäuschung. Die bessere Lage spielt eigentlich kaum eine Rolle. Der Anstieg war minimal und das erreichte Niveau bleibt unterirdisch. Dass sich in dieser Lage die Erwartungen eintrüben, ist ein Alarmsignal. Wir kommen seit dem Sommer nicht von der Stelle. Die Unternehmen dürften beim damaligen Anstieg auf den 'Herbst der Reformen' gehofft haben. Davon ist eigentlich nicht viel übrig geblieben. Leider ist die Politik Teil des Problems. Es wäre besser, wenn sie Teil der Lösung werden würde. Wir haben zuletzt die BIP-Prognose für 2026 etwas gesenkt und dabei gehofft, dass eine einmalige Korrektur abwärts genügen müsste. Die jüngsten Zahlen nagen schon wieder an dieser Hoffnung."