
- von Andrea Shalal und Howard Schneider
Washington, 22. Nov (Reuters) - US-Präsident Donald Trump war eigentlich mit dem Versprechen angetreten, die unter seinem Vorgänger Joe Biden gestiegenen Verbraucherpreise zu bändigen. Allerdings sieht er sich nun mit derselben politischen Realität konfrontiert, die bereits Biden zu schaffen machte: Obwohl die Inflationsrate sinkt, bleiben die Preise hoch – und die Unzufriedenheit der Bürger wächst. Trump wiederholt dabei Experten zufolge einige der Fehler Bidens und unterschätzt die Sprengkraft, die das Thema hat. Seine Zustimmungswerte sind einer Reuters/Ipsos-Umfrage zufolge mit 38 Prozent auf den niedrigsten Stand seit seiner Rückkehr ins Amt gefallen. Und im kommenden Jahr stehen Kongresswahlen an.
Experten sehen eine "unheimliche Ähnlichkeit" im Vorgehen beider Präsidenten. "Der Fehler, den beide begehen, besteht darin, dass sie die Realität des Lebens, die Realität der Politik nicht akzeptieren – dass die amerikanischen Bürger sich wirklich Sorgen über schnell steigende Preise machen", sagte Michael Strain vom konservativen American Enterprise Institute am Freitag. Das Problem sei, dass Preise für Güter und Dienstleistungen selten wieder sinken, auch wenn die Inflationsrate zurückgeht. Der Milliardär Trump spielt aber die Auswirkungen höherer Preise herunter und setzt auf Unternehmensinvestitionen, um Arbeitsplätze und Löhne zu steigern - eine Strategie, die Jahre braucht, um Wirkung zu entfalten.
Zwar ist die jährliche Teuerung von über neun Prozent in Bidens Amtszeit inzwischen auf etwa drei Prozent gefallen. Die Preise für viele Güter bleiben jedoch hoch, einige Waren - insbesondere die, die Trumps Zöllen unterliegen - kosten mehr als zuvor. Lohnzuwächse wurden für viele Menschen durch höhere Preise weitgehend aufgezehrt und die Lebensmittelpreise steigen weiter, vor allem bei in den USA beliebten Produkten. So kostete Rindfleisch zuletzt fast 15 Prozent mehr als vor einem Jahr, Bananen sieben Prozent und Kaffee mehr als 20 Prozent.
Um dem wachsenden Unmut darüber zu begegnen, greift Trump zu einer Reihe von Maßnahmen. Er hat Zölle auf einige Lebensmittel wie Kaffee und Bananen zurückgenommen, stellt mit Zolleinnahmen finanzierte Schecks in Höhe von 2000 Dollar für Haushalte in Aussicht und schlug 50-jährige Hypotheken vor, um den Hauskauf erschwinglicher zu machen. Und er drängt die Notenbank Fed, die Zinsen zu senken.
ZÖLLE KÖNNTEN NOCH VOR WAHLEN 2026 VOLL DURCHSCHLAGEN
Experten sehen diese Politik jedoch kritisch. Ben Harris von der Brookings Institution und ehemaliger Beamter im Finanzministerium unter Biden argumentiert, dass Trumps eigene Politik – wie seine Zölle, das harte Vorgehen gegen Einwanderung und der Druck auf die Notenbank – die Inflation sogar anheizen könnte. Zudem halten Analysten wie Scott Lincicome vom Cato Institute die von Trump in Aussicht gestellte Wachstumsrate von sechs Prozent für unrealistisch. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für die USA in diesem Jahr ein Wachstum von zwei Prozent und für 2026 von 2,1 Prozent.
Im Zentrum der Kritik stehen dabei immer wieder Trumps Zölle. Einerseits haben sie seit Januar rund 150 Milliarden Dollar an zusätzlichen Einnahmen für den Staatshaushalt gespült. Andererseits führen sie zu höheren Kosten für die Verbraucher. Banken wie Goldman Sachs erwarten, dass die Unternehmen diese Kosten im kommenden Jahr vollständig an die Kunden weitergeben, was die Unzufriedenheit vor den Kongresswahlen 2026 weiter schüren könnte. Für Trumps Republikaner wird jede Stimme zählen, um ihre knappen Mehrheiten in beiden Kammern zu verteidigen.
Den größeren Schaden sehen Experten jedoch langfristig. Die Unberechenbarkeit der US-Handelspolitik verunsichere internationale Investoren, sagte Harris. "Die Vorstellung, dass man aus einer Laune heraus mit Zöllen belegt werden kann, (...) veranlasst führende Wirtschaftsvertreter und Investoren zu sagen: 'Es wäre unverantwortlich von mir, wenn ich nicht versuchen würde, meine Abhängigkeit von den USA zu verringern.'"