Frankfurt, 24. Sep (Reuters) - Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen hat sich im September überraschend eingetrübt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 87,7 Zähler, nach 88,9 Punkten im August, wie das Münchner Ifo-Institut am Mittwoch zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Es war der erste Rückgang nach einer Serie von sechs Anstiegen des an den Finanzmärkten stark beachteten Frühindikators. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hingegen hatten für September mit einem Anstieg auf 89,3 gerechnet.
In ersten Reaktionen hieß es dazu:
CARSTEN BRZESKI, ING-CHEFVOLKSWIRT:
"Insgesamt dient der heutige Ifo-Index als eine schmerzhafte Erinnerung daran, wie schnell große Hoffnungen sich in Luft auflösen können. Der Optimismus der ersten Monate des Jahres wurde schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Das bedeutet nicht automatisch, dass die Hoffnungen auf eine Erholung vollständig aufgegeben werden sollten – aber es bedeutet, dass die Wirtschaft auf ein weiteres Jahr der Stagnation zusteuert. Jetzt braucht es wirklich einen 'Reformherbst', um sicherzustellen, dass auf drei Jahre Stagnation nicht ein viertes folgt."
CYRUS DE LA RUBIA, CHEFVOLKSWIRT HAMBURG COMMERCIAL BANK:
"Der Aufwärtstrend beim Ifo-Index, der seit Beginn des Jahres zu beobachten war, ist zu einem recht abrupten Ende gekommen. Nachdem der PMI-Einkaufsmanagerindex für September relativ gut abgeschnitten hatte, ist dies eine Enttäuschung. Bei den Erwartungen ist der Einbruch beim Ifo besonders deutlich und dürfte auch die Ernüchterung in weiteren Teilen der Wirtschaft widerspiegeln, da die Reformfortschritte nur sehr zäh verlaufen und teilweise auch als Rückschritte bezeichnet werden können – Stichwort Mütterrente. Im Ergebnis werden wir in diesem Jahr kaum signifikantes Wachstum sehen. Im nächsten Jahr wird die Expansionsrate deutlich über ein Prozent liegen, aber die entscheidende Frage ist nicht, ob das Wirtschaftswachstum bei 1,2 oder 1,5 Prozent liegt, sondern wie nachhaltig es entsteht – über staatlichen Konsum oder über Investitionen."
RALF UMLAUF, HELABA:
"Trübere Stimmung bei den Unternehmen. Entgegen der Konsensschätzung ist der Ifo-Geschäftsklimaindex nach dem unerwarteten Plus im August im laufenden Monat klar gesunken. Nicht nur die Lageeinschätzungen seitens der Unternehmen fielen schwächer aus, auch die Geschäftserwartungen haben unerwartet nachgegeben. Zeichen einer nachhaltigen konjunkturellen Belebung lassen mithin auf sich warten und die Zinssenkungserwartungen bezüglich der EZB, obwohl wenig ausgeprägt, werden tendenziell gestärkt."
MICHAEL HERZUM, UNION INVESTMENT:
"Die Stimmungsaufhellung in der deutschen Industrie hat im September einen Rückschlag erlitten. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel zum Herbstbeginn nach Verbesserungen im Vormonat. Die Unternehmenslenker schätzen sowohl die aktuelle Lage wie auch den Ausblick schwächer ein als im Vormonat. Die Eintrübung wird allerdings nur vorübergehend sein. Spätestens im nächsten Jahr wird das Wachstum aufgrund der Investitionen in die Verteidigung und die Infrastruktur hierzulande an Fahrt gewinnen. Je eher die Ausgaben anlaufen, desto schneller sind Impulse zu erwarten. Bis dahin bleibt nur zu hoffen, dass das stärkere Zutrauen der Unternehmen in die deutsche Wirtschaft schnell wieder zunimmt."
ROBIN WINKLER, DEUTSCHLAND-CHEFVOLKSWIRT DEUTSCHE BANK:
"Der überraschend starke Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex im September dämpft die Hoffnung auf eine zügige Konjunkturerholung. Insbesondere die Konjunkturerwartung haben den kleinen Höhenflug der Sommermonate wieder eingebüßt. Immerhin zeigte sich gestern der Einkaufsmanagerindex für September etwas verbessert. Die deutsche Wirtschaft wächst wieder – aber nur schwach."
ELMAR VÖLKER, LBBW:
"Das war heute ein unerwarteter Rückschlag für die deutsche Konjunktur. Die ZEW-Erwartungen hatten nach oben gezeigt, und auch die Einkaufsmanagerindizes für September hatten insgesamt eine Stimmungsaufhellung angedeutet. Vor allem der starke Rücksetzer der Erwartungskomponente lässt aufhorchen. War schon die Aufwärtstendenz in den zurückliegenden Monaten insgesamt nur zögerlich, so lässt die September-Umfrage befürchten, dass die deutsche Wirtschaft mindestens bis zum Jahresende in der - annähernden - Stagnation feststecken wird."
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
"Das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer lässt auf Skepsis unter den deutschen Firmen schließen. Dies wird auch offensichtlich beim Blick auf den Index für die weitere Geschäftsentwicklung. Auch hierbei senken die Unternehmen den Daumen deutlich. Vorerst wird die deutsche Wirtschaft weiter vor sich hindümpeln. Im laufenden Jahr wird lediglich ein leichtes Wachstum zu vermelden sein. Im kommenden Jahr könnte sich der BIP-Zuwachs auf leicht über ein Prozent beschleunigen. Hierfür müssen allerdings die Gelder aus dem Infrastrukturtopf auch tatsächlich in der Realwirtschaft ankommen. Ein fester Anker bleiben derweil die Zinssenkungen der EZB. Die Auftragssituation im Bauhauptgewerbe hat sich sukzessive verbessert, so dass vom Bau wieder positive Impulse kommen werden."
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:
"Mal wieder werden Wachstumshoffnungen enttäuscht. Daran ist das lethargisch wirkende innenpolitische Umfeld nicht ganz unbeteiligt. Fakt ist jedenfalls, dass die aktuelle Geschäftslage so schlecht ist wie zu Zeiten der Finanzkrise und Corona-Pandemie. Um Wachstumsperspektiven nachhaltig zu steigern, braucht es einen deutlichen Stimmungsumschwung. Wo der herkommen soll, zeichnet sich derzeit allerdings nicht ab. Den Herbst der Reformen hat die Bundesregierung zwar angekündigt, es braucht jetzt auch Taten. Unternehmen sind zudem noch dabei, sich auf die höheren US-Zölle einzustellen und Lieferketten zu ordnen. Konjunkturell werden die Karten wohl erst 2026 neu gemischt. Die große Herausforderung bleibt, mit der Fiskal-Bazooka dauerhaft einen höheren Wachstumspfad zu erreichen."
JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:
"Der Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas ist eine kalte Dusche. Dass die Unternehmen weniger optimistisch in die Zukunft schauen, mag auch an der Enttäuschung darüber liegen, dass der erhoffte Neustart in der Wirtschaftspolitik wohl ausbleibt. Dennoch haben sich die konjunkturellen Rahmenbedingungen verbessert. Zum einen hat die EZB ihre Leitzinsen halbiert. Zum anderen wird die Bundesregierung eine sehr expansive Fiskalpolitik fahren. All das dürfte die Konjunktur anschieben, wobei der Rückschlag beim Ifo-Geschäftsklima für eine nur moderate Erholung spricht."