Berlin, 23. Sep (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft hat dank Rückenwind der Service-Branche im September so stark zugelegt wie seit Mai 2024 nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft mit Industrie und Dienstleistern stieg überraschend kräftig um 1,9 auf 52,4 Punkte, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Dienstag zu seiner monatlichen Befragung von Einkaufsmanagern mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hingegen hatten nur mit einem Mini-Anstieg auf 50,6 Zähler gerechnet. Das Barometer hielt sich damit den vierten Monat in Folge über der Marke von 50, ab der es Wachstum signalisiert. Das Barometer für die Euro-Zone - für Industrie und Dienstleister zusammen - stieg leicht um 0,2 auf 51,2 Punkte und damit etwa wie erwartet.
Analysten sagten dazu in ersten Reaktionen:
ELMAR VÖLKER, LANDESBANK BADEN-WÜRTTEMBERG:
"Ein ambivalentes Signal für die deutsche Wirtschaft zum Ende des drittel Quartals. Einerseits ist der Stimmungsaufschwung in der Industrie vorerst beendet. Andererseits fassen die Unternehmen im Dienstleistungssektor neuen Mut, denn der zugehörige Index sprang auf das höchste Niveau seit Januar 2025. In der Summe ist dies ein vorsichtiges Hoffnungszeichen, dass die deutsche Wirtschaft zum Jahresende hin aus der Stagnationsfalle herausfinden könnte. Ein nachhaltiger Aufwind ergibt sich hieraus aber wohl nur unter zwei Voraussetzungen: Zum Ersten das Ausbleiben weiterer negativer Schocks mit Blick auf die Handelspolitik. Zum Zweiten muss die Bundesregierung ihren Reformankündigungen Taten folgen lassen."
ULRICH WORTBERG, LANDESBANK HESSEN-THÜRINGEN
"Verhaltene Stimmung in der deutschen Industrie - der Einkaufsmanagerindex im Industriesektor ist den vorläufigen Angaben zufolge gesunken. Damit hat er die Konsensschätzung verfehlt. Zudem ist er daran gescheitert, die Expansionsschwelle zu überwinden. Im Gegensatz dazu hat sich die Stimmung im Servicesektor deutlich verbessert. Hier stieg der Index klar über die 50er Marke. Insgesamt lassen aber Signale auf eine merkliche Wachstumsbelebung auf sich warten, zumal für das morgen anstehende Ifo-Geschäftsklima Deutschland die Erwartungen nicht zu hochgesteckt werden sollten. Insgesamt dürften die Zinssenkungserwartungen hinsichtlich der EZB nicht kleiner werden, denn die Einkaufsmanagerindizes in Frankreich haben enttäuscht."
"JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK:
"Der breitgefasste Einkaufsmanagerindex für den Euroraum kriecht weiter nach oben und liegt nach wie vor in einem Bereich, bei dem in der Vergangenheit nur ein unterdurchschnittliches Wachstum zu beobachten war. Dieser wichtige Frühindikator erholt sich vor allem deshalb so zögerlich, weil sich nur für Deutschland wegen seiner sehr expansiven Fiskalpolitik für 2026 eine deutliche konjunkturelle Belebung abzeichnet. Allerdings bleiben die langfristigen Wachstumsaussichten Deutschlands wegen des fehlenden Neustarts in der Wirtschaftspolitik verhalten."
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:
"Die Eurozonen-Wirtschaft steht auf tönernen Beinen. Die von den USA verhängten Zölle belasten das verarbeitende Gewerbe. Ob es im laufenden Jahr tatsächlich zu einer höheren Wachstumsrate reicht, bleibt fraglich. In der Vergangenheit wuchs die Euro-Zone beim gegenwärtigen Stand des Einkaufsmanagerindex lediglich mäßig. Die Euphorie hält sich jedenfalls trotz des leichten Anstiegs des Konjunkturbarometers in engen Grenzen."