Berlin, 08. Sep (Reuters) - Die deutschen Exporte sind im Juli wegen der schrumpfenden Nachfrage aus den USA und China überraschend gesunken. Sie fielen um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat auf 130,2 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten ein Mini-Plus von 0,1 Prozent erwartet. Zudem stieg die Produktion deutscher Unternehmen im Juli zum Vormonat unerwartet deutlich um 1,3 Prozent. Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:
SEBASTIAN DULLIEN, DIREKTOR DES GEWERKSCHAFTSNAHEN IMK:
"Angesichts des massiven Schocks durch die Zölle auf die deutsche Außenwirtschaft ist es tatsächlich bemerkenswert, wie gut sich die deutsche Wirtschaft derzeit hält. Früh- und Stimmungsindikatoren wie der Ifo-Index und der Einkaufsmanagerindex deuten auf eine weitere Erholung in den kommenden Monaten hin. Hier zeigt sich, dass die Wirtschaftspolitik der großen Koalition – trotz berechtigter Kritik - bisher besser war als es oft in der öffentlichen Debatte dargestellt wird. Mit dem großen Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität hat die Regierung die Voraussetzungen für eine Konjunkturwende gelegt, die sich seit dem Frühjahr auch schon in einer Verbesserung der Frühindikatoren spiegelt. Wichtig ist, jetzt die inländische Nachfrage nicht durch unnötige Debatten um den Sozialabbau zu destabilisieren und im Bundeshaushalt dafür zu sorgen, dass die versprochenen zusätzlichen Investitionen zügig umgesetzt werden. Macht die Politik hier keine großen Fehler, so kann die deutsche Wirtschaft kommendes Jahr erneut spürbar über einem Prozent wachsen und die Rezession endgültig hinter sich lassen."
THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:
"Die positive Entwicklung der Produktion im Juli ist vor allem auf den Anstieg im Maschinenbau um 9,5 Prozent zurückzuführen. Auch deutliche Produktionszuwächse in der Automobilindustrie und der Pharmaindustrie beeinflussten das Gesamtergebnis positiv. Der Zuwachs der Industrieproduktion lässt darauf hoffen, dass die Industrie im dritten Quartal wieder positiv zum Wachstum beiträgt. Bei den Exporten bleibt derweil die US-Entwicklung bedenklich. Schon jetzt wird die Zollpolitik der US-Regierung zu einer Wachstumsbelastung.
Nichtsdestotrotz ist nach dem deutlichen Rückgang des BIP im zweiten Quartal wieder ein leicht positives Wachstum zu erwarten. Von einem dynamischen BIP-Zuwachs wird derweil vorerst nicht die Rede sein können. Hierfür war der Auftragseingang zu schwach. Die Hoffnungen beruhen auf den Infrastrukturausgaben der öffentlichen Hand, die tatsächlich das Potenzial haben im kommenden Jahr das deutsche Wachstum in etwas höhere Gefilde zu bringen."
JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:
"Die Zahlen sind insgesamt positiv zu werten und kontrastieren stark zu den schwachen Daten der Neuaufträge. Irgendwo um die Jahresmitte könnte es einen regelrechten Bruch in der Konjunktur gegeben haben. Vermutlich bedingt durch die Zollpolitik in den USA, denn der Rückgang der Exporte in die USA im Juli war deutlich. Immerhin ist der Auftakt für das dritte Quartal damit aber nicht so schlecht wie befürchtet. Mehr als dass die deutsche Wirtschaft damit vermutlich weiter eher im Bereich des Nullwachstums herumdümpelt, lässt sich indes kaum sagen. Die Suche nach dem geeigneten Heilmittel für die deutsche Konjunktur geht weiter."
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:
"Vor allem durch die Revision des Vormonats liegt ein klarer Quartalzuwachs bei der Produktion nun stark in der Luft. Die Auftragslage signalisiert aber, dass eine echte Produktionswende nicht bevorsteht. Momentan sorgt die bessere Stimmung in der Autoindustrie zumindest für etwas Zuversicht. Der Druck auf die Kapazitäten dürfte wegen des tiefen Produktionsniveaus anhalten. Die Fiskal-Bazooka wird 2026 für einen Produktionsanstoß sorgen, der ohne Reformen der Bundesregierung kaum halten wird.
Der leichte Rückgang bei den Exporten spiegelt die Erwartungen der Exportwirtschaft, die von Ernüchterung geprägt sind. Wenig überraschend ist, dass weniger Waren in die USA verkauft wurden. Auch wegen der US-Zölle ist eine anziehende Exportdynamik vorerst nicht in Sicht. Das mit den Mercosur-Staaten verhandelte Freihandelsabkommen lässt eine Perspektive auf lange Sicht offen."