Berlin, 17. Jul (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft steht der DIHK zufolge deutlich schlechter da als vor fünf oder zehn Jahren. Gründe hierfür seien Vernachlässigungen wichtiger Standortpolitik, sagte der Chefanalyst der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier, am Donnerstag bei einer Veranstaltung der Industriestaaten-Gruppe OECD. Größere Firmen hätten ihr Auslandsengagement in den vergangenen Jahren aus Kostenüberlegungen strukturell erhöht. "Die Kosten waren und sind in Deutschland - im Vergleich zu wichtigen Wettbewerberstandorten - zu hoch." Die Wirtschaft habe aber große Hoffnung, dass die neue Bundesregierung hier für bessere Rahmenbedingungen und mehr Schwung sorgen könne.
Derzeit belaste vor allem der Zollkonflikt mit den USA. "Hier herrscht Unsicherheit - und zwar im ganz großen Maße", betonte Treier. Dies mache es den Unternehmen sehr schwer, langfristige Investitionsentscheidungen zu treffen, sagte auch Jörg Rocholl, der Präsident der internationalen Wirtschaftshochschule ESMT Berlin. "Die Unsicherheit ist unglaublich hoch." Der Zustand sei gravierender als zuletzt bei der Finanzkrise, der Euro-Krise oder dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs.
Um Investitionen anzukurbeln, sei es wichtig, vor allem diese Unsicherheiten zu reduzieren, sagte OECD-Deutschland-Expertin Isabell Koske. So müsse es etwa darum gehen, den Wettbewerb zu stärken, Ausgaben der öffentlichen Hand zu erhöhen, den Fachkräftemangel zu lindern und eine unternehmensfreundlichere Steuerpolitik umzusetzen.
Öffentliche Investitionen seien ein Hebel für private Investitionen, sagte Astrid Klesse vom Bundeswirtschaftsministerium. Das Sondervermögen der Bundesregierung, das milliardenschwere Ausgaben für die Infrastruktur vorsieht, könne hier für mehr Sicherheit sorgen. Es schaffe Perspektiven für einige Branchen wie den Bau, "um vertrauensvoll in Kapazitätserweiterungen finanzieren zu können".