Berlin, 08. Jul (Reuters) - Trotz großer Unsicherheit in Zeiten des Zollkonflikts sollte sich die EU laut Bundesbankchef Joachim Nagel den Herausforderungen mit breiter Brust stellen. Mehr als 70 Länder sähen in der Europäischen Union ihren wichtigsten Handelspartner, sagte er am Dienstag bei einer Diskussionsrunde mit dem ehemaligen Vize-Chef der japanischen Notenbank und jetzigen Leiter der Denkfabrik Daiwa Institute of Research, Hiroshi Nakaso, in Frankfurt. "Ich glaube, wir sollten etwas selbstbewusster sein", sagte Nagel mit Blick auf die Rolle der EU, aber auch Japans.
Die EU verfüge über eine hohe Bevölkerungszahl, gut ausgebildete Fachkräfte und ein solides wirtschaftliches Rückgrat aus Großkonzernen und Mittelständlern. Es gelte, sich nicht zu früh und zu schnell "gewissen Ideen" zu beugen: "Wir müssen unseren Weg beibehalten und unser eigenes Geschäftsmodell entwickeln", mahnte Nagel.
US-Präsident Donald Trump hatte am 2. April zahlreichen Ländern pauschale Zölle von 20 Prozent auferlegt. Diese wurden kurz danach zunächst für 90 Tage auf Eis gelegt. Trump hat mittlerweile einen Erlass unterzeichnet, mit dem der Termin für das Inkrafttreten der Zölle auf den 1. August verschoben wurde. Er kündigte umfassende Zölle gegen enge Verbündete wie Japan und Südkorea sowie zwölf weitere Staaten an. Auf alle Waren aus Japan und Südkorea soll ab dem 1. August ein Zoll von 25 Prozent erhoben werden.
TURBULENZEN DIENEN ALS LEHRE
Einem Sprecher der EU-Kommission zufolge strebt die Brüsseler Behörde weiterhin eine eigene Handelsvereinbarung mit den USA an. Nach Einschätzung eines hochrangigen EU-Parlamentariers muss sich die EU aber darauf einstellen, dass die neuen Basiszölle der USA in Höhe von zehn Prozent nicht mehr verschwinden werden.
Nagel sagte, die Turbulenzen nach den Tagen von Anfang April sollten als Lehre dienen, wie sich die Dinge in Zeiten hoher Unsicherheit entwickeln könnten. Es sei nun an den Europäern, nach Wegen zu suchen, wie die Rolle des Euro über die nächsten Jahre gestärkt und die Gemeinschaftswährung für Investoren attraktiver gemacht werden könne. Institutionelle Investoren hätten ihm über Erwägungen berichtet, über die Jahre stärker diversifizieren zu wollen: "Ich glaube, der Euro könnte hier eine wichtige Rolle spielen."