Berlin, 23. Jun (Reuters) - Der Industrieverband BDI ist wegen des Handelsstreits mit den USA deutlich pessimistischer für die deutsche Wirtschaft als bisher. Der BDI teilte am Montag in Berlin mit, dieses Jahr sei mit einem Minus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,3 Prozent zu rechnen. Ende Januar hatte der Verband noch ein Minus von 0,1 Prozent prognostiziert, allerdings darauf verwiesen, dass es wegen der neuen US-Zölle auch schlechter laufen könnte. Der BDI ist damit auch wesentlich skeptischer als viele Ökonomen, die ihre Schätzungen zuletzt nach oben korrigiert hatten und eher eine leicht wachsende Wirtschaft erwarten. 2023 und 2024 war die Wirtschaft bereits geschrumpft.
Die US-Zölle dürften, sofern sie nicht noch zurückgenommen werden, die deutsche Wirtschaft um 0,3 Prozentpunkte kosten, so der BDI. Verbands-Präsident Peter Leibinger sagte, die Industrieproduktion liege weiterhin neun Prozent unter dem Niveau von 2019, also vor der Corona-Krise. Die Kapazitätsauslastung betrage nur 77 Prozent.
Mehrere Forschungsinstitute hatten ihre aufgehellten Konjunkturprognosen für 2025 und 2026 zuletzt mit dem überraschend guten Start ins laufende Jahr sowie Rückenwind durch die Bundesregierung begründet. Das Münchner Ifo-Institut, das Essener RWI und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnen für 2025 mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent. Im nächsten Jahr rechnen die meisten Experten mit einem Wachstum von ein bis eineinhalb Prozent. Der BDI sprach von positiven Signalen der Regierung, etwa mit Entlastungen bei Steuern und Energiepreisen. Der Reformkurs müsse fortgesetzt werden. Wenn dies geschehe, gebe es eine echte Chance für einen Aufschwung. Weitere Reformen seien aber nötig wie der Abbau von Bürokratie.
Der BDI bot der Regierung auch Unterstützung an, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken. "Die deutsche Industrie steht bereit, ihren Beitrag zu leisten", so Leibinger. In einem BDI-Papier hieß es, höhere Verteidigungsausgaben seien nur eine Notwendigkeit. Der BDI betrachte Verteidigung als gemeinsame Aufgabe. Hier brauche es einen Schulterschluss für ein abgestimmtes Handeln.