Frankfurt, 05. Jun (Reuters) - Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt angesichts der sinkenden Inflation und der schwachen Konjunktur im Euroraum ihren Zinssenkungskurs fort. Der EZB-Rat um Notenbankchefin Christine Lagarde beschloss am Donnerstag, den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, der Leitzins im Euroraum, um einen Viertelpunkt auf 2,00 Prozent nach unten zu setzen. Diesen erhalten Geldhäuser, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken. Seit die Währungshüter Mitte 2024 auf einen Lockerungskurs umgeschwenkt waren, ist dies bereits die achte Zinssenkung. Zu ihrem weiteren Vorgehen hielt sich die EZB weitgehend bedeckt: "Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest", erklärte die Euro-Notenbank in ihrer Mitteilung zum Zinsbeschluss.
Mit der Inflation, die unter anderem wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs nach oben geschossen war, sind die Währungshüter inzwischen auf der Ziellinie angelangt. Die Teuerungsrate im Euroraum lag im Mai noch bei 1,9 Prozent nach 2,2 Prozent im April. Das EZB-Ziel von 2,0 Prozent wurde damit sogar untertroffen.
Auf der anderen Seite bremst der von US-Präsident Donald Trump entfachte weltweite Handelskrieg die Wirtschaft im Euroraum aus. Laut der Prognose der EU-Kommission vom Mai wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Euro-Zone dieses Jahr nur noch um 0,9 Prozent wachsen. Im Herbst war noch ein Zuwachs von 1,3 Prozent veranschlagt worden. Einer der größten Bremsklötze ist die anhaltende Wachstumsschwäche Deutschlands, der größten Volkswirtschaft in der 20-Länder-Gemeinschaft. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer sagt das dritte Rezessionsjahr in Folge voraus.
ZINSPAUSE VORAUS?
Aufgrund der Wachstumssorgen und des unvorhersagbaren Hin-und-Her im Zollstreit mit den USA ist der Ausblick für die EZB von großer Unsicherheit geprägt. Unternehmen neigen in solchen Situationen dazu, sich mit größeren Investitionen zurückzuhalten. Ein Lichtblick für das Wachstum könnte die geplante militärische Aufrüstung in Europa sowie das in Deutschland angeschobene massive Finanzpaket sein.
Die schwache Konjunktur bremst zwar die Inflation kurzfristig, doch auf längere Sicht könnten Zölle und unterbrochene Handelsketten die Inflation kräftig antreiben.
Die EZB fährt in dieser Gemengelage schon seit geraumer Zeit in der Zinspolitik auf Sicht und entscheidet datengetrieben von Sitzung zu Sitzung. Manche Währungshüter hatten zuletzt eine Zinspause im Juli ins Spiel gebracht. Am Finanzmarkt wird dafür die Wahrscheinlichkeit inzwischen auf rund 70 Prozent taxiert.