Berlin, 05. Jun (Reuters) - Die deutsche Industrie hat wegen der anziehenden Binnennachfrage im April überraschend mehr Aufträge an Land gezogen. Ihr Neugeschäft wuchs um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einem Rückgang von 1,0 Prozent gerechnet. Im März hatte es ein Plus von 3,4 Prozent gegeben - auch wegen zollbedingter Vorzieheffekte. In ersten Reaktionen hieß es dazu:
JENS-OLIVER NIKLASCH, LBBW:
"Hinter diesen fast unscheinbaren Zahlen verbirgt sich möglicherweise eine Trendwende für die Industrie. Die Auftragszahlen sind üblicherweise sehr volatil. Glättet man diese Schwankungen durch den Drei-Monats-Vergleich oder klammert man die Großaufträge aus, dann liegen die Tiefstände für die monatlichen Neuaufträge hinter uns. Das passt zu anderen Indikatoren, die in der jüngsten Zeit einen ähnlichen Verlauf aufweisen. Nach so einer langen konjunkturellen Durststrecke ist man zwar eher zögerlich, schon von einem Aufschwung zu sprechen, aber zumindest hellt sich der Ausblick für die kommenden Monate derzeit deutlich auf."
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:
"Nach dem guten Vormonat ist der erneute Zuwachs ein starkes Zeichen. Die Auftragslage befindet sich zwar weiter im Tal, der Blick zeigt aber aufwärts. Unternehmen decken sich wegen des drohenden Zollhammers wohl weiter ein. Damit sieht es vorerst auch nach einer Stabilisierung der Kapazitätsauslastung aus. Die Infrastrukturinitiative der Bundesregierung dürfte die Stimmung weiter heben. Es scheint, als hätte die Industrie das Schlimmste überstanden."
JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:
"Die meisten Volkswirte hatten für die Auftragseingänge im April ein deutliches Minus erwartet, weil der März-Wert von zollbedingten Vorzieheffekten und der ungewöhnlich späten Lage der Osterferien überzeichnet war. Dass es zu dieser Gegenbewegung nicht kam und die Aufträge im April sogar etwas zulegten, ist ein gutes Zeichen. Der Trend weist bei den Orders mittlerweile nach oben – ebenso beim Ifo-Geschäftsklima. Die deutsche Konjunktur profitiert von den EZB-Zinssenkungen, auch wenn Trumps Zollerhöhungen die Aufwärtsbewegung dämpfen."