Banff, 22. Mai (Reuters) - Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hat sich für eine Fortsetzung der umsichtigen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgesprochen. Vor dem Hintergrund der Finanzmarktvolatilitäten wären Vorfestlegungen in der Geldpolitik jetzt geradezu fahrlässig, sagte Nagel am Freitag auf einer Pressekonferenz mit Bundesfinanzminister Lars Klingbeil beim Treffen der sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) im kanadischen Ferienort Banff. Es könne noch relativ viel passieren bis zur nächsten Zinssitzung. "Vor dem Hintergrund der weiterhin hohen Unsicherheiten sollten wir deshalb in der Geldpolitik vorsichtig bleiben," sagte er. Der bisherige Ansatz habe gut funktioniert, in einer schwierigen Finanzmarktumgebung von Sitzung zu Sitzung neu zu entscheiden auf Basis von jeweils neuen Daten.
Der nächste Zinsentscheid der EZB steht am 5. Juni an. Am Finanzmarkt wird aktuell die Wahrscheinlichkeit auf über 90 Prozent taxiert, dass die EZB dann erneut die Zinsen senken wird. Es wäre das achte Mal seit Mitte 2024. Aktuell liegt der Einlagensatz, der Leitzins im Euroraum, bei 2,25 Prozent. "Ein Niveau, das sicherlich nicht mehr als restriktiv bezeichnet werden kann", sagte Nagel. Ein Zinsniveau gilt dann als restriktiv, wenn es eine Volkswirtschaft bremst. Nagel zufolge wird die EZB noch in diesem Jahr ihr Inflationsziel von zwei Prozent erreichen. "Das ist eine gute Nachricht", sagte er. Im April lag die Teuerungsrate in der 20-Länder-Gemeinsachaft bei 2,2 Prozent. Das EZB-Inflationsziel liegt damit in greifbarer Nähe.