Berlin, 07. Mai (Reuters) - Die deutsche Industrie hat im März ihr Neugeschäft überraschend kräftig gesteigert. Die Aufträge kletterten um 3,6 Prozent zum Vormonat und damit so stark wie seit Dezember nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Wachstum von 1,3 Prozent gerechnet. Im Februar hatte es eine Stagnation gegeben und im Januar einen Einbruch von 5,5 Prozent.
Analysten sagten zu den Daten in ersten Reaktionen:
SEBASTIAN DULLIEN, GEWERKSCHAFTSNAHES IMK-INSTITUT:
"Der Anstieg der Auftragseingänge bei der deutschen Industrie im März ist leider nur auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Auch mit dem kräftigen Plus im März lagen die Bestellungen im Gesamtquartal immer noch deutlich unter den Auftragseingängen aus dem Vorquartal. Zudem waren im März die neuen US-Zölle weder in Kraft noch in ihrer Höhe bekannt. Angesichts der nun geltenden höheren Zölle ist durchaus plausibel, dass ein Teil der Bestellungen aus den Vereinigten Staaten wieder storniert wird. Wichtig ist jetzt, dass die neue Bundesregierung schnell Wachstumsimpulse in Deutschland setzt und somit auch Vertrauen schafft, insbesondere nachdem Friedrich Merz im ersten Wahlgang nicht die notwendige Mehrheit als Kanzler erhalten hat. Zentral dafür ist, dass insbesondere die angekündigten öffentlichen Investitionen schnell konkretisiert und angestoßen werden."
JÖRG KRÄMER, CHEFÖKONOM COMMERZBANK:
"Das ist endlich Mal ein starkes Plus bei den Auftragseingängen, das nicht nur auf die schwankungsanfälligen Großaufträge zurückgeht. Das Tief scheint bei den Aufträgen hinter uns zu liegen. Allerdings solle man nun keinen starken Aufschwung erwarten. Trumps Zollschock hat die Unternehmen stark verunsichert. Außerdem ist der dringend benötigte Neustart in der Wirtschaftspolitik wegen der knappen Mehrheit der neuen Bundesregierung noch unwahrscheinlicher geworden."
ELMAR VÖLKER, LBBW:
"Nach einem relativ schwachen Jahresauftakt endet das erste Quartal mit einem positiven Zeichen von Seiten der Auftragseingänge. Der Zuwachs war zudem relativ breit auf Bestellungen aus dem In- und Ausland verteilt. Dies nährt Hoffnungen auf eine Stabilisierung der Industriekonjunktur. Angesichts der hohen Unsicherheit in Sachen Handelspolitik wäre es indes verfrüht, bereits eine positive Trendwende auszurufen."
CYRUS DE LA RUBIA, HAMBURG COMMERCIAL BANK:
"Schwer zu glauben, dass das jetzt die Wende sein soll. Größere Sprünge bei den Auftragseingängen sind keinesfalls ungewöhnlich, die Volatilität ist relativ hoch. Außerdem ist unklar, ob einige Aufträge vor allem getätigt wurden, um höheren Zöllen zuvorzukommen, so dass hier kein nachhaltiger Nachfrageanstieg zu beobachten wäre. Dass es noch nicht wirklich gut bestellt steht um die deutsche Industrie, lässt sich auch an der Quartalsentwicklung ablesen, wo die Auftragseingänge im Vergleich zu Schlussquartal des vergangenen Jahres um 2,3 Prozent gefallen sind. Dass sich höhere Verteidigungsausgaben der neuen Regierung in spürbar höhere Auftragseingänge übersetzen, könnte noch ein wenig Zeit dauern, aber perspektivisch ist dies durchaus positiv."
ALEXANDER KRÜGER CHEFÖKONOM HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:
"Der Auftragszuwachs erfreut, er ist aber wohl auch eine Gegenbewegung zum schwachen Jahresauftakt. Am Ende hat die Industrie ein dickes Quartalsminus eingefahren. Da die Stimmung weiterhin schlecht ist, deutet wenig auf eine Nachfragewende hin. Die Unsicherheit über den Fortgang der US-Zollpolitik dürfte manchen Auftrag zurückhalten. Bis zur Fiskal-Bazooka gilt es für Unternehmen, weiter durchzuhalten. Umso wichtiger ist es, dass die Politik unternehmensfreundliche Strukturreformen zügig durchsetzt."