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ANALYSE-Transatlantiker im Schlingern - Merz ringt um Antworten auf aggressive USA

ReutersDec 10, 2025 3:41 PM
  • Kanzler will Bande bewahren, reagiert aber zunehmend harsch
  • Merz sieht Abhängigkeit bei Sicherheit
  • Seine EU-Reform wird vom Getöse für eine EU-Abwicklung übertönt

- von Andreas Rinke

- Auf den ersten Blick kann Friedrich Merz ideale außenpolitische Voraussetzungen für den Posten eines deutschen Kanzlers im 21. Jahrhundert vorweisen: Er war Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Auch wenn dies eine Weile her ist, habe diese Erfahrung aus ihm einen überzeugten Europäer gemacht, bescheinigen ihm selbst SPD-Kabinettsmitglieder. Und Merz ist in seiner Zeit in der Wirtschaft nach eigenen Angaben 150-mal in die USA gereist und war Vorsitzender der Atlantik-Brücke - weshalb er immer wieder sein Verständnis für den transatlantischen Partner und die USA betont. Doch nun kommt Merz mit seinem europäisch-amerikanischen Doppel-Verständnis ins Schlingern. Zum einen treten US-Präsident Donald Trump und sein Team immer aggressiver gegenüber Europa auf. Zum anderen vermischen sich seine Forderungen nach einem Rückbau der EU-Regulierung mit den feindlichen Tönen der US-Regierung und der AfD, die eine Abwicklung der von ihnen verhassten supranationalen EU wollen. Erkennbar ringt Merz damit, sich bei beiden Themen richtig aufzustellen.

MERZ GEGEN TRUMP UND MUSK - DEMOKRATIE KÖNNEN WIR SELBST

So mahnte er die US-Regierung angesichts ihrer neuen, europakritischen Sicherheitsstrategie am Dienstag, dass auch die Supermacht Partner brauche. "'America first' ist fein, aber 'America alone' kann nicht in eurem Interesse sein. Ihr braucht auf der Welt auch Partner. Einer der Partner kann Europa sein", sagte er in Mainz. Wenn die USA sich dennoch dafür entscheiden sollten, künftig alleine zu marschieren, "sollten wir zumindest gedanklich und eines Tages auch tatsächlich darauf vorbereitet sein". Schon die Rede von US-Vizepräsident JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz habe bei ihm "etwas ausgelöst". Das Ergebnis sei die Lockerung der Schuldenbremse und der sehr starke Anstieg an Verteidigungsausgaben. Den Knacks im transatlantischen Verhältnis spürt Merz also schon länger.

In der Digitalpolitik ist Merz mittlerweile noch härter. Vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron übernahm er die Forderung nach einer "digitalen Souveränität". Die wüsten Drohungen des US-Milliardärs Elon Musk sowie die Empörung der US-Regierung über eine Strafe der EU-Kommission gegen dessen Plattform X lässt der Kanzler abtropfen: "So wie deutsche und europäische Unternehmen in Amerika die dort geltenden Gesetze zu befolgen haben und gegebenenfalls mit sehr drakonischen Strafen belegt werden, genauso haben amerikanische Unternehmen in Europa die hier geltenden Regeln zu akzeptieren", betonte er.

Das klingt entschlossen. Aber einfach ist dies für den Transatlantiker Merz nicht. Noch während der EU-US-Zollgespräche hatte er Kulturstaatsminister Wolfram Weimer gebremst, damit dessen Pläne für eine Digitalabgabe für US-Tech-Konzerne nicht zusätzlich für Verärgerung in Washington sorgten. Hinter den Kulissen hatte er im Zollstreit in der EU immer dafür geworben, möglichst keine Eskalation mit den USA zu riskieren. Doch mit jedem Frontalangriff aus Washington verhärtet sich die Position des Kanzlers.

MERZ WILL ZUSAMMENARBEIT RETTEN

Dabei plädiert gerade Merz dafür, die Bande zu den USA nicht ganz und nicht zu schnell zu kappen. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen berichten verschiedene Ministerien, dass auf der fachlichen Ebene die Zusammenarbeit mit Washington weiter gut laufe. Zum anderen gebe es auch eine Zeit nach Trump.

Merz sieht zudem die enorme Abhängigkeit in der Sicherheitspolitik. Eigentlich müsste angesichts der feindlichen Töne aus Washington eine Debatte über die in Deutschland stationierten zehntausenden von US-Soldaten ausbrechen. Aber aus Sorge vor einer Eskalation mit Russland will Merz die Super- und Atommacht so lange wie möglich an der Seite Deutschlands und der EU halten. Ähnliches gilt in der Ukraine-Politik.

MERZ GEGEN DIE EU-KOMMISSION

Allerdings kommt Merz auch deshalb ins Schlingern, weil das aggressive Vorgehen der US-Regierung, die explizit ein anderes Europa will, seine eigene europapolitische Agenda überschattet. Merz war angetreten als Ober-Entbürokratisierer der EU. Bei den Gesamtmetall-Arbeitgebern betonte er am Dienstag, dass die EU mit ihrer Überregulierung nichts mehr mit der EU seiner Zeit im Europäischen Parlament zu tun habe. Die Trennlinie zwischen einer Reform und einer Abwicklung der EU wird immer dünner. Da sorgt es für Misstrauen, wenn die christdemokratische EVP-Fraktion im Europäischen Parlament mit den Stimmen von Rechts-Außen die Entschärfung der Lieferkettenrichtlinie beschließt.

Am Dienstag verstieg sich der Kanzler gegenüber den USA zudem zu dem Satz: "Wenn Ihr mit Europa nichts anfangen könnt, dann macht wenigstens Deutschland zu eurem Partner." Das klingt danach, als wollte der Bundeskanzler in einem zerbröselnden Europa die deutschen Schäfchen retten. Viel besser machte es die Mittwoch nachgeschobene Erklärung nicht: Falls US-Präsident Donald Trump mit EU-Institutionen Probleme habe, sollte er zumindest mit EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. "Dazu zählt natürlich zuallererst Deutschland", schob er hinterher. Ein Regierungssprecher musste hinterher erklären, dass Merz Europa wirklich stark machen wolle.

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