
Berlin, 26. Nov (Reuters) - Drei Jahre nach dem Start von ChatGPT ist die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) in Deutschland alltäglich geworden. Fast zwei von drei Personen (65 Prozent) nutzen inzwischen solche Anwendungen, nach 53 Prozent im Vorjahr, wie aus einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage für den TÜV-Verband hervorgeht. Besonders ausgeprägt ist die Nutzung bei jungen Menschen: Von den 16- bis 29-Jährigen verwenden 91 Prozent KI. "Generative KI ist innerhalb weniger Jahre für eine ganze Generation zum festen Bestandteil ihres Alltags geworden", sagte der Geschäftsführer des TÜV-Verbands, Joachim Bühler. "Doch die Sicherheitskultur hält mit dieser Entwicklung nicht Schritt."
Das mit Abstand am häufigsten genutzte KI-Werkzeug ist demnach ChatGPT, das 85 Prozent der Nutzer verwenden. Jedoch holen Konkurrenten auf. So kommt Google Gemini auf 33 Prozent und die MicrosoftMSFT.O-Anwendung Copilot auf 26 Prozent. Das deutsche Übersetzungs-Tool DeepL wird von jedem fünften KI-Nutzer verwendet. Dabei wandelt sich die Art der Nutzung. Während der Einsatz zur reinen Unterhaltung abnimmt, wird KI verstärkt als Werkzeug für Recherche und Informationssuche (72 Prozent) oder zum Verfassen von Texten (43 Prozent) eingesetzt.
KI ALS WERKZEUG - WENIGER ALS COACH ODER GUTER FREUND
Die Beziehung der Nutzenden zu den Programmen ist überwiegend pragmatisch, wie die Umfrage vom Oktober unter 1005 Personen ab 16 Jahren zeigt. So sehen 80 Prozent die KI als Werkzeug ohne emotionale Bindung. Jedoch beschreiben 27 Prozent die Anwendung als eine Art klugen Coach, und sechs Prozent empfinden sie sogar als guten Freund, dem sie persönliche Gedanken anvertrauen. "Die Grenzen zwischen maschinellen und menschlichen Fähigkeiten verschwimmen", sagte Bühler. Dazu trage bei, dass viele mit ihrem Chatbot sprechen. Zwar dominiere die Texteingabe per Tastatur, doch jede und jeder Zweite nutze Spracheingaben. Man habe in der Umfrage nicht feststellen können, "dass es hier Liebesbeziehungen gibt wie eine feste Partnerschaft oder dass romantische Gefühle entwickelt worden sind", sagte der TÜV-Experte. "Da sind die Deutschen doch eher nüchtern mit 0 Prozent."
Die Studie zeigt auch wachsende Verunsicherung. So haben 13 Prozent der Nutzer bereits persönliche oder vertrauliche Informationen in KI-Systeme eingegeben, obwohl die Hälfte Sorgen vor Datenmissbrauch äußert. Zudem fällt es immer mehr Menschen schwer, zwischen echten und künstlichen Inhalten zu unterscheiden. Jeder Zweite hat KI-Inhalte bereits für echt gehalten und ist online auf manipulierte Videos gestoßen, die reale Personen zeigen. "Deepfakes werden für viele Menschen vom abstrakten Technologiethema zum realen Alltagsrisiko, weil sie kaum noch zu erkennen sind", sagte Bühler.
Angesichts dieser Risiken fordert eine große Mehrheit der Befragten klare Regeln. 89 Prozent verlangen eine Kennzeichnungspflicht für KI-Inhalte, 83 Prozent halten eine Regulierung für notwendig und 80 Prozent sprechen sich für verpflichtende Sicherheitsprüfungen durch unabhängige Stellen aus. Trotz dieses Wunsches ist die geplante KI-Verordnung der Europäischen Union nur einem Drittel bekannt.