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HINTERGRUND-Trumps Ukraine-Ultimatum ist Gefahr für Europäer - und eine Chance

ReutersNov 24, 2025 4:08 PM
  • Verhandlungsprozess beseitigt Extremforderungen der USA
  • Problem 1: Europa kann und will kaum Sicherheitsgarantien liefern
  • Problem 2: Europa produziert zu wenig Waffen
  • Problem 3: Der Ukraine-Krieg wird teuer
  • Problem 4: Innenpolitischer Druck steigt, das Interesse an einem Waffenstillstand auch

- von Andreas Rinke

- US-Präsident Donald Trump hat mit seinem Ultimatum an die Ukraine die Europäer aufgeschreckt. Kanzler Friedrich Merz hatte noch am Freitag mit Trump telefoniert und ihm nach eigenen Worten die Verhandlungen in Genf abgerungen. In großer Hektik fanden sowohl am Rande des G20-Gipfels in Südafrika am Sonntag als auch am Rande des EU-Afrika-Gipfels in Angola Abstimmungen der europäischen Staaten statt, die das Schlimmste verhindern sollen: eine US-russische Diktatlösung, die einer Art Kapitulation der Ukraine gleichkäme. Fast täglich mahnt etwa Merz, dass keine Entscheidungen über die Köpfe der Ukraine und der Europäer hinweg getroffen werden dürften. Dabei ist die Entwicklung sowohl Gefahr als auch Chance für die Europäer.

ZEITDRUCK UND DROHUNGEN

Vor allem der von Trump entfachte Zeitdruck überraschte die Europäer. Am Montag aber sagte Merz nach den Genfer Verhandlungen zufrieden, er glaube nicht mehr, dass es in dieser Woche zu einer überstürzten Einigung komme. Die USA sind wie schon nach dem umstrittenen Trump-Putin-Treffen in Alaska wieder in einen Verhandlungsprozess einbezogen worden, haben sogar viele Positionen der Europäer mittlerweile übernommen.

Das Problem ist damit aber nicht gelöst: Die USA haben mit dem angedeuteten Entzug der militärischen Unterstützung für die Ukraine klargemacht, dass sie zumindest bei diesem entscheidenden Thema am längeren Hebel sitzen. Zwar stocken die Europäer ihre Rüstungsproduktion auf, aber bis sie die - mittlerweile gekauften - Lieferungen der USA für die Ukraine ersetzen können, wird es dauern. Solange verfügt Trump über Erpressungspotenzial.

SICHERHEITSGARANTIEN

Ein Stein des Anstoßes des vermeintlich amerikanischen 28-Punkte-Plans war der Vorschlag, die ukrainische Armee auf 600.000 Mann zu beschränken und dem Land eher lose Sicherheitsgarantien zu geben. Jetzt geht die gemeinsame Position der USA, der Europäer und der Ukraine von 800.000 Mann aus. Zudem hat Merz Trump daran erinnert, dass Sicherheitsgarantien auch glaubwürdig sein müssen: Schon 1994 hatte die Ukraine im Gegenzug zur Abgabe der sowjetischen Atomwaffen von den USA und Russland die Integrität ihrer Grenzen zugesichert bekommen. Dann annektierte Russland 2014 die Krim und hält seit 2022 weitere Landesteile der Ukraine besetzt. Und der Präsident der Supermacht USA schlug jetzt Gebietsabtretungen vor.

Das Problem für die Europäer: Allein können sie die Sicherheit der Ukraine gegenüber der Atommacht Russland nicht garantieren. Die Diskussion über Friedenstruppen nach einem Waffenstillstand zeigt zudem, dass viele EU-Regierungen zwar sehen, dass die Ukraine auch für ihre Sicherheit kämpft - sie aber selbst - wie die USA - keinen personellen Beitrag für die Ukraine leisten wollen.

WOHER SOLL DAS GELD KOMMEN?

Wegen Trumps Ukraine-Politik mussten sich die Europäer seit dem Sommer wieder mit den mehr als 200 Milliarden Euro russischen Staatsvermögen beschäftigen, die in der EU eingefroren sind. Eigentlich gab es mit den USA eine Einigung, dass diese als Sicherheit für einen 50-Milliarden-Dollar-Kredit an die Ukraine dienen sollen. Aber wegen des fast völligen Entzugs der US-Militärhilfe suchen die Europäer händeringend nach Geld, um die Ukraine stärker unterstützen zu können.

Merz und EU-Ratspräsident Antonio Costa betonten, dass es bei dem Plan bleibe, am 18. Dezember zu beschließen, dass das Geld über Anleihen nun für einen 140-Milliarden-Euro-Kredit an die Ukraine genutzt werden soll. Daran ändere der Trump-Vorstoß nichts. Die US-Delegation akzeptierte nach heftigen Protesten, dass aus dem 28-Punkte-Plan die Forderung gestrichen wurde, dass die USA 100 Milliarden Dollar aus dem eingefrorenen Geld bekommen und die Europäer ihnen weitere 100 Milliarden Dollar zahlen sollten.

Das Problem der EU: Noch immer leistet Belgien Widerstand, weshalb ein Beschluss am 18. Dezember nicht gesichert ist. Ohne den Riesenkredit werden die Europäer aber ihre vollmundigen Solidaritätsbekundungen für die Ukraine kaum einhalten können: Viele EU-Staaten sind hoch verschuldet, die Stimmung in den Bevölkerungen der EU-Länder kippt gegen nationale Zahlungen an die Ukraine. Deutschland steht mit den geplanten elf Milliarden Euro Militärhilfe im kommenden Jahr fast alleine da.

AUCH EUROPA HAT INTERESSE AN EINEM WAFFENSTILLSTAND

Letztlich sind die Europäer zerrissen zwischen verschiedenen Interessen. Sie müssen in ihrer Analyse der Ukraine beistehen, schon weil eine Niederlage des Landes Russlands Appetit auf andere Teile Europas wachsen lassen könnte. Aber sollte Trumps brachiales Vorgehen am Ende doch eine Friedenslösung bringen, würde dies die Volkswirtschaften und die nationalen Haushalte massiv entlasten - gerade in Deutschland. Auch die Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge kostet viel Geld. Die Regierungschefs in Ungarn und der Slowakei zeigen, dass die Einheit der EU gefährdet ist, je länger der Krieg dauert. Und in vielen EU-Ländern gewinnen extreme Parteien an Zuspruch, die sich an den Positionen der amerikanischen oder russischen Regierung orientieren.

"Wir sind uns einig, wir wollen so schnell wie möglich einen Waffenstillstand und den Frieden in der Ukraine", betonte Merz deshalb am Montag. Er nannte das Dilemma aber direkt danach: Ohne eine für Europa und die Ukraine akzeptable Lösung gehe es aber eben nicht. Dafür müsse Russland nachgeben.

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