
- von Sarah Marsh und Paul Carsten und Maria Tsvetkova
Berlin/New York, 04. Nov (Reuters) - Immer wieder haben sich zuletzt Vertreter der AfD in den USA mit Anhängern MAGA-Bewegung von Donald Trump getroffen. Dazu zählten auch Treffen mit hochrangigen Beamten des US-Außenministeriums – eine seltene Aufmerksamkeit der Supermacht für eine als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuften Oppositionspartei in einem verbündeten Land. Das bestätigen aktuelle und ehemalige US-Regierungsbeamte sowie eine Quelle der Bundesregierung der Nachrichtenagentur Reuters. Die Annäherung spiegelt eine wachsende Übereinstimmung zwischen der AfD und Teilen der MAGA-Bewegung ("Make America Great Again) etwa bei zur Einwanderung wider - und bei dem Vorwurf, eigene politische Aussagen würden anderen politischen Kräften unterdrückt.
Für Aufregung sorgte ein Video von einem privaten Empfang in Manhattan Anfang Oktober, in dem ein Tenor den AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt und Kay Gottschalk die tabuisierte erste Strophe der deutschen Nationalhymne vorsang: "Deutschland, Deutschland über alles, über alles auf der Welt" – ein Text, mit dem die Nazis die deutsche Überlegenheit demonstrierten.
Zu sehen ist, wie Schmidt, der gerade ein Treffen mit einem hochrangigen Beamten im US-Außenministerium hinter sich hatte, mit der Hand auf dem Herzen in den Gesang einstimmt. Später bestritt er gegenüber Reuters jeglichen Zusammenhang zwischen dem Liedtext und dem Nationalsozialismus.
Der private Empfang, der vom New York Young Republican Club ausgerichtet wurde, unterstreicht die Bemühungen der AfD, internationale Netzwerke aufzubauen und das Image zu pflegen, dass sie im eigenen Land undemokratisch ausgrenzt würden. "Wir haben keine Demokratie mehr", betonte Gottschalk in Manhattan. "Man kann nicht mehr sagen, was man denkt oder was man mag." Die AfD behauptet in den USA auch, dass die sogenannte Brandmauer undemokratisch sei, also die Ablehnung einer Zusammenarbeit aller anderen Parteien mit der AfD.
FRÜHE KONTAKTE MIT DEM TRUMP-LAGER
Die Grundlage für die Beziehungen der AfD zur US-Regierung wurde dabei schon in den Jahren vor Trumps Wiederwahl gelegt. Der New Yorker Junge Republikanische Club pflegt seit Jahren Kontakte zu rechtsextremen europäischen Parteien. Einige Ex-Clubmitglieder wechselten dann in hohe Positionen in der Trump-Administration. Der frühere Clubpräsident Gavin Wax, der 2023 die AfD in Berlin besuchte, kam etwa bei Darren Beattie unter, dem Unterstaatssekretär für Öffentlichkeitsarbeit im US-Außenministerium. Vor seinem Eintritt in die Regierung traf Wax im Mai bei einem Treffen nationalistischer Parteien in Budapest mit dem rechtsgerichteten ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zusammen, an dem auch AfD-Co-Chefin Alice Weidel teilnahm.
DIE US-SEITE FÖRDERT KONTAKT
Auffallend ist die Bereitschaft der US-Seite, sich auf die Kontakte mit der AfD einzulassen, der auch enge Kontakte zu Moskau und Peking nachgesagt werden. Das US-Außenministerium will sich zwar offiziell nicht äußern, verwies aber auf ein Foto auf der Plattform X des US-Milliardärs Elon Musk, das Beattie bei einem Treffen mit Wenzel Schmidt und dem außenpolitischen Sprecher der AFD-Fraktion, Markus Frohnmaier, zeigt. Auch die stellvertretende AfD-Fraktionschefin Beatrix von Storch hatte nach eigenen Angaben in Washington Gespräche mit Trump-Beratern, Vizepräsident JD Vance sowie Vertretern des Außenministeriums.
"Es handelt sich um eine kalkulierte Gelegenheit, um Aufmerksamkeit zu erregen und eine Nähe zur Regierungsmacht zu erreichen", sagt Oliver Lembcke, Politikwissenschaftler an der Universität Bochum. "Im Zusammenspiel mit europäischen oder anderen Regierungen wäre das völlig undenkbar."
Tatsächlich hat es die AfD in Europa eher schwer. Nach Skandalen und hetzerischen Äußerungen wird sie von vielen anderen europäischen Rechtsparteien eher gemieden. Das kompensiert die AfD seit der Rückkehr Trumps ins Weiße Haus mit den US-Kontakten. Auch Musk spricht sich auf X in regelmäßigen Abständen für die Wahl der AfD aus - obwohl er mit seiner Firma Tesla E-Autos produziert und die AfD E-Mobilität kritisch sieht.
Der AfD-Politiker Joachim Paul aus Ludwigshafen erklärte gegenüber Reuters, das US-Außenministerium habe ihn vorgeladen, um "die Lage der Opposition in Deutschland zu erläutern", nachdem ihm die Kandidatur für das Bürgermeisteramt untersagt worden war. Die Wahlbehörden hatten Zweifel an seiner Verfassungstreue - was mehrere Gerichte bestätigten. Paul sagte, dass die US-Beamten gut informiert gewesen seien und ihm versichert hätten, seinen Fall weiter zu verfolgen. Direkte Hilfe hätten sie aber nicht angeboten.
Die bewusste Aufmerksamkeit der MAGA-Szene zeigt sich auch an der republikanischen US-Kongressabgeordneten Anna Paulina Luna. Sie traf sich demonstrativ mit der rechten Influencerin Naomi Seibt, die wegen angeblicher Verfolgung in Deutschland publikumswirksam Asyl in den USA beantragen will.
TRUMPS WELTWEITE STRATEGIE
Sticheleien von US-Rechtsaußen gegen Bundesregierungen sind nicht neu - haben sich aber seit Trumps Amtsantritt im Januar verstärkt. Im Februar schockte US-Vizepräsident JD Vance Europas Staats- und Regierungschefs auf der Sicherheitskonferenz in München mit dem Vorwurf, sie würden freie Meinungsäußerung zensieren, politische Rivalen unterdrücken und Einwanderung nicht kontrollieren. Anschließend traf Vance kurz vor der Bundestagswahl die AfD-Co-Vorsitzenden Weidel, um seine Unterstützung zu demonstrieren. Im Mai sagte US-Außenminister Marco Rubio, die Einstufung der AfD als extremistisch sei verkappte "Tyrannei". Die Angriffe betreffen dabei nicht nur Deutschland. Trump straft auch Länder wie Brasilien ab, wenn sie etwa gegen Verbündete wie Ex-Präsident Jair Bolsonaro vorgehen.