FOCUS-Teslas großes Glücksspiel, dass die Einführung neuer Modelle keine Rolle mehr spielt

- von Chris Kirkham

23. Okt (Reuters) - Teslas bahnbrechende Elektro-Limousine Model 3 aus dem Jahr 2017, gefolgt von einer größeren Model Y-Variante, läutete die Ära der Elektroautos für den Massenmarkt ein, machte Tesla TSLA.O zum wertvollsten Autohersteller der Welt und CEO Elon Musk (link) zum reichsten Mann der Welt.

Doch auch Jahre später hängt das stockende Autogeschäft von Tesla fast ausschließlich von diesem einen Durchbruch ab - und das wird wohl auch in den kommenden Jahren so bleiben.

Das einzige Modell des Autoherstellers seither, der Cybertruck, floppte (link). Tesla hat derzeit so gut wie keine Produkte für menschliche Fahrer in der Pipeline, da Musk das Unternehmen auf selbstfahrende Technologien und humanoide Roboter umorientiert.

Ein neues Roadster-Superauto, das 2017 als Prototyp vorgestellt wurde, ist noch nicht auf dem Markt und würde nur eine sehr wohlhabende Nische bedienen. Letztes Jahr hat der Autohersteller das Projekt eines 25.000-Dollar-EV (link) eingestellt und stattdessen Anfang dieses Monats abgespeckte Versionen (link) des Model 3 und des Model Y vorgestellt, die 37.000 bzw. 40.000 Dollar kosten.

Und das war's - Musk hat keine weiteren neuen oder umgestalteten von Menschen angetriebenen Fahrzeuge versprochen. Die offensichtliche Vernachlässigung des Kerngeschäfts von Tesla stellt ein großes Risiko für Investoren dar und wird zeigen, ob der US-Elektroauto-Pionier sein Wachstum auch ohne regelmäßige Markteinführung neuer Modelle aufrechterhalten kann, sagen Analysten.

Tesla reagierte nicht auf Anfragen zur Stellungnahme.

Tesla hat in den letzten zwei Jahrzehnten kein einziges Modell vollständig überarbeitet, und das in einer Branche, in der Modelle oft nur eine kurze Lebensdauer haben - und in der Teslas führende Elektroauto-Konkurrenten in China in einem schwindelerregenden Tempo neue Fahrzeuge in jedem denkbaren Segment auf den Markt bringen.

Stattdessen behandelt Tesla seine Modelle weiterhin wie iPhones, die nur schrittweise Verbesserungen in Form von Software-Updates benötigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Einige Branchenbeobachter sehen keinen Grund, warum das nicht funktionieren sollte.

Während traditionelle Autohersteller viel Geld für regelmäßige Hardware- und Styling-Überholungen ausgeben, ist es Tesla gelungen, ein Produkt mit hoher Gewinnspanne und ohne Schnickschnack" zu liefern, das Kunden bedient, die sich mehr für seine aktualisierbare Technologie als für sein Aussehen interessieren, so Adrian Balfour, Gründer von Envorso, einer Technologieberatungsfirma, die mit der Automobilindustrie zusammenarbeitet.

"Ich glaube nicht, dass sie an Fahrzeugen wie dem meistverkauften Model Y eine große Menge an Redesigns vornehmen müssen", sagte er.

'WIE JEDE ANDERE MARKE'

Andere argumentieren, dass Tesla nicht unbegrenzt dem Gesetz der Schwerkraft in der Automobilindustrie trotzen kann - dass die Verkaufszahlen mit dem Alter der Modelle sinken.

Tom Libby, ein Analyst von S&P Global Mobility, sagte, dass die Kundenbindungsrate von Tesla im letzten Jahr eingebrochen sei und sich erst verbessert habe, nachdem Tesla seine durchschnittlichen Ausgaben für Produktanreize verdoppelt habe.

"Die Daten zeigen, dass Tesla wie jede andere Marke ist", sagte Libby. "Langfristig gesehen wird es einige größere Produktmaßnahmen geben müssen, oder die Marke wird weiter sinken."

Der Absatz von Tesla-Fahrzeugen ist in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um 6 Prozent zurückgegangen. Jetzt steht das Unternehmen vor großen Herausforderungen, da US-Präsident Donald Trump (link) die staatliche Unterstützung für Elektroautos, einschließlich einer Steuergutschrift von 7.500 Dollar pro Fahrzeug für Verbraucher, die letzten Monat ausgelaufen ist (link), weitgehend zurückgenommen hat.

Das bevorstehende Auslaufen der Steuergutschrift hat den Verkauf von Tesla-Fahrzeugen im dritten Quartal angekurbelt, da die Kunden sich mit dem Kauf beeilten, um die Subvention zu erhalten. Dies führte zu einem Anstieg der Einnahmen in den vierteljährlichen Finanzergebnissen, die das Unternehmen am Mittwoch (link) veröffentlichte.

Dennoch sank der Gewinn um 37 Prozent aufgrund höherer Kosten durch Trumps Zölle, höherer Ausgaben für Forschung und Entwicklung und sinkender Einnahmen aus dem Verkauf von staatlichen Regulierungskrediten an andere Autohersteller.

Musk und andere Tesla-Führungskräfte sagten während der Telefonkonferenz wenig über das aktuelle Automobilgeschäft, das 88 Prozent des Umsatzes im dritten Quartal ausmachte, und konzentrierten sich stattdessen auf zukünftige Pläne für selbstfahrende Roboterachsen und humanoide Roboter.

Als Tesla vor kurzem kosmetische Aktualisierungen an den Modellen 3 und Y vornahm - eine Auffrischung" im Branchenjargon - reichten die subtilen Änderungen nicht aus, um die Verkaufszahlen anzukurbeln, die herkömmliche Autohersteller nach einer umfassenden Neugestaltung ihrer Modelle von Grund auf erzielen, so Libby.

Nach Angaben von S&P Global Mobility überarbeiten die Autohersteller in den Vereinigten Staaten ihre Modelle im Durchschnitt alle acht Jahre - ein Zeitrahmen, der sich im letzten Jahrzehnt verkürzt hat. Viele Modelle für den Massenmarkt werden häufiger überarbeitet, Lastwagen und Luxusfahrzeuge seltener.

Die Entwicklungszyklen könnten sich weltweit bald radikal verkürzen, da die traditionellen Automobilhersteller auf den starken Wettbewerbsdruck der stark subventionierten chinesischen Elektrofahrzeugindustrie reagieren.

Chinesische Hersteller von Elektrofahrzeugen, angeführt von BYD 002594.SZ, dem weltweit führenden Konkurrenten von Tesla, haben die Modellentwicklungszeiten auf zwei Jahre oder weniger verkürzt (link).

Die schnelle Iteration hat es den chinesischen Elektroautoherstellern ermöglicht, "mit den Trends Schritt zu halten, mit dem, was Verbraucherprodukte tun", sagte Dan Hearsch, Co-Leiter der Automobil- und Industriepraxis bei der Beratungsfirma AlixPartners. "Es ist die Hälfte der Zeit, und es ist auch die Hälfte der Fixkosten"

BYD hat beispielsweise von 2020 bis 2025 mindestens 17 SUV-Modelle auf den Markt gebracht, etwa doppelt so viele wie neue oder überarbeitete SUVs von Ford F.N in diesem Zeitraum.

Im Vergleich dazu hat Tesla seit dem Produktionsstart des Model Y Anfang 2020 nur den dreieckigen Cybertruck aus Edelstahl auf den Markt gebracht.

Seit 2008 hat Tesla nur sechs Fahrzeuge auf den Markt gebracht, darunter die Limousine Model S, den Geländewagen Model X und sein erstes Auto, den kurzlebigen Zweisitzer Roadster. Nur die Modelle 3 und Y, die die gleiche Plattform und die meisten Komponenten gemeinsam haben, haben sich in großen Stückzahlen verkauft.

Musk sagte voraus, dass Tesla jährlich Hunderttausende von Cybertrucks verkaufen würde. Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens Cox Automotive hat Tesla in diesem Jahr bis September etwa 16.000 Stück verkauft.

Mit einem erfolgreichen Pickup hätte Tesla in einem der umsatzstärksten US-Autosegmente Fuß gefasst.

Libby sagte, dass die ungewöhnlich kleine Produktpalette des Autoherstellers Tesla auch von anderen umsatzstarken Segmenten ausschließt, wie z. B. den dreireihigen SUVs für den Massenmarkt, die laut Daten von S&P Global Mobility 13 Prozent der Fahrzeugverkäufe in den USA ausmachen. (Das Model X bietet eine enge, optionale dritte Sitzreihe im Luxussegment.)

Das Model 3 ist in einem kleineren, rückläufigen Segment angesiedelt - den Kompaktwagen. Das größere Problem für die Modelle 3 und Y könnte ihr fortschreitendes Alter sein, sagte Garrett Nelson, ein Analyst bei CFRA Research, der Tesla verfolgt.

"Man kann kein Portfolio haben, das so veraltet ist", sagte er. "Sie werden einen Preis dafür zahlen müssen."