
San Francisco/Los Angeles, 23. Apr (Reuters) - In der Stadt Hobbs in New Mexico, nahe der texanischen Grenze, verabreicht Dr. Ali Sherif normalerweise rund 50 Masernimpfungen im Monat. Doch in den vergangenen Wochen hat sich die Zahl der Impfungen in seiner Praxis um etwa 25 Prozent erhöht. Eltern kommen in Sorge um ihre Kleinkinder und Schulkinder, um sie vor dem aktuellen Masernausbruch zu schützen. Mehr als 600 Menschen haben sich bislang in Texas und New Mexico infiziert, drei sind gestorben.
Wie Tausende andere Ärztinnen und Ärzte im ganzen Land verlässt sich Sherif auf ein Bundesprogramm, um die Impfstoffe kostenlos bereitzustellen: "Vaccines for Children", ein von der US-Gesundheitsbehörde CDC finanziertes und von den Bundesstaaten verwaltetes Impfprogramm, das Kindern aus einkommensschwachen Familien kostenlose Impfungen ermöglicht. Rund fünf Milliarden Dollar umfasst das Jahresbudget – etwa die Hälfte aller Impfungen von Kindern in den USA wird darüber abgedeckt.
Das Programm kauft Impfstoffe unter anderem bei Merck & CoMRK.N und GSKGSK.L zu stark vergünstigten Preisen – rund 26 Dollar kostet eine MMR-Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln, verglichen mit 95 Dollar im Privatsektor. Die Gesundheitsbehörden der Bundesstaaten sorgen für die Verteilung und binden lokale Kliniken ein. Doch Experten warnen: Kürzungen im US-Gesundheitswesen könnten die Wirksamkeit des Programms gefährden – und das mitten im größten Masernausbruch seit Jahren.
PERSONAL ENTLASSEN, FÖRDERGELDER GEKÜRZT
Unter der Regierung von US-Präsident Donald Trump, der den Impfskeptiker Robert F. Kennedy Jr. zum Gesundheitsminister gemacht hat, wurden zuletzt rund 10.000 Angestellte im Gesundheitsministerium (HHS) entlassen. Darunter sind auch rund 20 CDC-Mitarbeiter, die Impfprogramme in besonders gefährdeten Regionen unterstützten. Sie halfen, Vertrauen in die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen aufzubauen, wie drei mit der Sache vertraute Personen sagten. Weitere 10.000 Beschäftigte verließen das Ministerium laut HHS freiwillig. Gleichzeitig wurden Covid-bezogene Bundeszuschüsse von rund elf Milliarden Dollar gestrichen, die auch zur Finanzierung von Impfkampagnen wie etwa gegen Masern dienten. Ein Bundesrichter hat die Kürzungen in einigen Bundesstaaten vorläufig gestoppt.
"Wir müssen jede Ressource und jeden Mitarbeitenden zusammenkratzen, um Texas und anderen Regionen Unterstützung bieten zu können", sagte David Sugerman, Leiter der CDC-Masernstrategie, vergangene Woche in einer Anhörung. Kennedy selbst hat die Kürzungen beaufsichtigt – nach Jahren, in denen er die Sicherheit von Impfstoffen infrage gestellt hat. Während des aktuellen Masernausbruchs wirbt er für unbewiesene Behandlungen und spricht sich nur halbherzig für die Masern-Mumps-Röteln-Impfung aus.
Das HHS und das Weiße Haus reagierten nicht auf Anfragen zur Stellungnahme, ebenso wenig wie GSK. Merck & Co lehnte eine Stellungnahme ab. In Texas wurden bis Dienstag bislang 624 Masernfälle gemeldet, 64 Betroffene mussten ins Krankenhaus. Zwei ungeimpfte Kinder ohne Vorerkrankungen starben – darunter ein achtjähriges Mädchen. New Mexico meldete 65 Fälle und einen Todesfall bei einem ungeimpften Erwachsenen. Es sind die ersten Masern-Todesfälle in den USA seit 2015.
"WENN FAMILIEN ZAHLEN MÜSSTEN, WÜRDEN SIE ES AUFSCHIEBEN"
Der US-Kongress hatte das Programm "Vaccines for Children" 1993 ins Leben gerufen, nachdem einige Jahre zuvor ein Masernausbruch Dutzende von Kindern getötet hatte. Die CDC stellte damals fest, dass mehr als die Hälfte der Kinder, die an Masern erkrankten, nicht geimpft waren. Die Kosten für die Impfung waren ein Hauptgrund dafür, dass Familien die Impfung ausließen, obwohl sie regelmäßig zum Arzt gingen.
"Es gibt wirklich schlimme, beängstigende Erkrankungen, vor denen wir unsere Kinder schützen können", sagt die Kinderärztin Alex Cvijanovich aus Albuquerque. Sie erinnert sich an einen Teenager, der Jahre nach einer Maserninfektion an einer degenerativen Hirnerkrankung starb. Er war als Säugling noch zu jung für die Impfung gewesen. Die Sorge vieler Ärztinnen und Ärzte: Sollte das Impfprogramm weiter beschnitten werden, könnten sich solche tragischen Fälle häufen.
In einer großen Kinderklinik in Albuquerque werden jeden Monat Impfstoffe im Wert von rund 100.000 Dollar über das Programm bestellt. "Wenn die Familien selbst zahlen müssten, würden sie das Impfen aufschieben", sagt die Klinikleiterin. Auch Dr. Sherif in Hobbs weiß, wie essenziell das Programm für seine Praxis ist. 85 Prozent seiner Patienten sind auf Medicaid angewiesen, ein staatliches Krankenversicherungsprogramm für Menschen mit geringem Einkommen. Eine eigene Beschaffung der Impfstoffe wäre für ihn unmöglich: "Wenn ich sie selbst kaufen müsste, hätte ich nicht genug für meine Patienten."