Investing.com - Der gestrige Zollhammer von US-Präsident Donald Trump gegen nahezu jedes Land der Welt hat selbst erfahrene Marktbeobachter überrascht. Einige Experten warnen bereits, dass die daraus resultierenden Schockwellen nicht nur die US-Wirtschaft, sondern auch die globale Konjunktur in eine Rezession stürzen könnten.
Trumps jüngster Zollvorstoß sieht pauschale Abgaben in Höhe von 10 % auf sämtliche US-Importe vor. Zusätzlich hat er Zölle gegen bestimmte Länder eingeführt – etwa in der Hälfte der Höhe der Abgaben, die diese angeblich auf US-Waren erheben.
Am stärksten betroffen ist China, das sich nun einem effektiven Zollsatz von 54 % gegenüber sieht. Für die Europäische Union gelten Zölle von 20 %, während Länder wie Taiwan, die Schweiz, Thailand und Bangladesch mit Abgaben zwischen 30 % und 50 % belegt werden. Die Maßnahmen treten im Laufe der kommenden Woche in Kraft.
Ausgenommen von den Zöllen sind unter anderem Einfuhren von Kupfer, Holz, Gold, Arzneimitteln und einigen wichtigen Mineralien. Trumps bereits angekündigte 25 %-Zölle auf Automobile werden ebenfalls in dieser Woche wirksam.
Die Analysten von JPMorgan (NYSE:JPM) erklärten, man werde zunächst abwarten, wie die Einführung der Zölle in den kommenden Tagen konkret umgesetzt wird, bevor Anpassungen an den Prognosen vorgenommen werden. Gleichzeitig warnten sie davor, dass eine vollständige Umsetzung von Trumps Handelspolitik einen „erheblichen makroökonomischen Schock darstellt, der derzeit nicht in unseren Prognosen berücksichtigt ist“.
„Dieser Schock dürfte sich noch verstärken – durch seine Auswirkungen auf die Marktstimmung und durch die Gegenmaßnahmen jener Länder, die ihre Zölle deutlich anheben müssen“, so JPMorgan in einer Mitteilung an Kunden. Die Analysten sehen die Gefahr, dass ein großflächiger Zollschock sowohl in den USA als auch weltweit eine Rezession auslösen könnte.
Auch die Analysten von Capital Economics (CE) zeigten sich überrascht: Die Gegenzölle seien deutlich höher als erwartet. Sie gehen davon aus, dass der effektive Zollsatz auf alle US-Importe auf 26 % steigen wird – ein historisches Hoch, das zuletzt vor 131 Jahren erreicht wurde.
Das Forschungsinstitut betonte, dass Länder wie Kanada und Mexiko relativ glimpflich davongekommen seien, während China, Vietnam und andere große asiatische Volkswirtschaften besonders stark betroffen seien. Japan und die EU liegen laut CE im Mittelfeld. Zwar könnten die neuen Zölle die US-Steuereinnahmen deutlich erhöhen – wie stark sich dies auf das Wirtschaftswachstum auswirkt, hängt aber davon ab, wie die zusätzlichen Einnahmen verwendet werden.
„Wenn sie in Form von Steuersenkungen an die Verbraucher zurückgegeben werden, dürfte das Wachstum kaum darunter leiden. Sollten sie jedoch zur Reduzierung des Haushaltsdefizits eingesetzt werden, käme das einer fiskalischen Straffung von mehr als 2 % gleich – in dem Fall müsste die Wirtschaft schon Glück haben, um eine Rezession zu vermeiden“, so die Experten.
Auch Wells Fargo hält die neuen Zölle für deutlich einschneidender als erwartet – und sieht sie klar oberhalb dessen, was die Märkte eingepreist hatten. Die wirtschaftlichen Folgen dürften demnach sowohl für die USA als auch für die betroffenen Länder negativ ausfallen.
Allerdings sehen die Fachmänner auch „erhebliches“ Potenzial für geldpolitische Lockerungen durch die Fed – insbesondere im Zeitraum von Mitte 2025 bis Mitte 2026. Ein großer Teil dieser Maßnahmen dürfte bereits in der ersten Jahreshälfte erwartet bzw. eingepreist sein.
Kurzfristig rechnen sie bei den nächsten Sitzungen der US-Notenbank jedoch nicht mit zusätzlichen Schritten, da die Fed signalisiert hat, ihre Zinspolitik zunächst nicht weiter zu lockern.
Barclays (LON:BARC) warnt unterdessen, dass die neuen US-Zölle die globalen Konjunkturaussichten belasten und sowohl das Vereinigte Königreich als auch mehrere europäische Länder in der zweiten Jahreshälfte 2025 an den Rand einer Rezession bringen könnten.
Die Bank wartet zwar noch auf konkrete Gegenmaßnahmen der betroffenen Länder, sieht aber bereits jetzt eine spürbare Zunahme der globalen handelspolitischen Unsicherheit – ein Faktor, der die wirtschaftlichen Perspektiven weiter eintrübt.
„Der deutliche Anstieg der Unsicherheit im Welthandel (über den sogenannten Unsicherheitskanal) führt dazu, dass Investitions- und Konsumentscheidungen aufgeschoben werden – was letztlich die Binnennachfrage dämpft und die wirtschaftliche Aktivität verlangsamt“, schreiben die Barclays-Analysten.
Ihre aktuellen Prognosen gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt im Vereinigten Königreich und der EU um etwa 1,1 % beeinträchtigt werden könnte. Sollte sich die Lage verschärfen, halten sie auch Rückgänge von 1,9 % in der EU bzw. 1,5 % im Vereinigten Königreich für möglich.