
Berlin, 12. Nov (Reuters) - Bei den Zinsen in der Euro-Zone wird sich aus Sicht der Wirtschaftsweisen vorerst kaum mehr etwas bewegen. "Der aktuelle Zinssenkungszyklus dürfte im Euroraum, anders als in den USA, weitgehend beendet sein", heißt es in dem am Mittwoch vorgelegten Jahresgutachten der fünf Regierungsberater. Der Einlagezins der Europäischen Zentralbank (EZB) werde bis Jahresende voraussichtlich bei 2,0 Prozent verharren und 2026 "nur noch leicht zurückgehen".
Die Wirtschaftsweisen verweisen darauf, dass sich die Inflation im Euroraum im Verlauf der ersten Jahreshälfte bei etwa zwei Prozent eingependelt hat. Im Oktober lag sie mit 2,1 Prozent nur knapp über dem Zielwert der EZB von 2,0 Prozent. Die Preise für Energie, von denen die Inflation lange Zeit angeheizt worden war, gingen den achten Monat in Folge zurück. "Im Prognosezeitraum dürfte hiervon nur ein geringer Preisdruck ausgehen", schreiben die fünf Sachverständigen. Zudem wirke die Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar preisdämpfend, weil die Importe des Euroraums dadurch günstiger würden. Die Auswirkung auf die Inflation dürfte laut den Regierungsberatern jedoch gering ausfallen, da mehr als die Hälfte der gesamten Importe in Euro bezahlt werden.
Die Wirtschaftsleistung im Euroraum wird laut den Ökonominnen und Ökonomen nur mit geringem Schwung zulegen. Nach einem prognostizierten Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 1,4 Prozent in diesem Jahr veranschlagen die Fachleute für 2026 nur noch plus 1,0 Prozent. Die hohen Zölle, die nun auf US-Einfuhren aus der EU gelten, senkten die Nachfrage nach Verkaufsschlagern wie Maschinen oder Fahrzeugen sowie chemischen Produkten. Die Aufwertung des Euro in den vergangenen Monaten habe überdies die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums verschlechtert.
BANGER BLICK AUF FRANKREICH
Für die Konjunktur in der Euro-Zone stelle eine Verschärfung der politischen Lage in Frankreich ein Risiko dar. "Sollte es der neuen Regierung wider Erwarten nicht gelingen, einen Kompromiss für den kommenden Haushalt auszuhandeln, dürfte die politische Unsicherheit die Stimmung von Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern weiter verschlechtern", erklärten die Gutachter. In einem solchen Fall könnten die Renditen auf französische Staatsanleihen weiter steigen und eine noch stärkere Konsolidierung erforderlich machen, um Vertrauen an den Finanzmärkten zurückzugewinnen. Dies könnte nicht nur das BIP-Wachstum in Frankreich erheblich dämpfen, sondern auch die Konjunktur in weiteren EU-Mitgliedstaaten bremsen. Der Sachverständigenrat geht davon aus, dass das BIP in Frankreich 2025 und 2026 jeweils um 0,8 Prozent steigen wird.