- von Adam Smith und Hyunjoo Jin und Heejung Jung
Seoul, 21. Sep (Reuters) - Südkoreas Präsident Lee Jae Myung hat vor einer schweren Wirtschaftskrise in seinem Land gewarnt, sollte seine Regierung die aktuellen US-Forderungen in den festgefahrenen Handelsgesprächen ohne Schutzmaßnahmen akzeptieren. Die Krise könne mit dem finanziellen Zusammenbruch von 1997 gleichkommen, sagte Lee in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Ohne einen Währungs-Swap würde Südkorea in eine Lage wie in der Finanzkrise von 1997 geraten, wenn wir 350 Milliarden Dollar auf die von den USA geforderte Weise abziehen und alles in bar in den USA investieren müssten." Er reist am Montag nach New York, um vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu sprechen.
Seoul und Washington hatten sich im Juli mündlich auf ein Handelsabkommen geeinigt. Demzufolge würden die USA die von Präsident Donald Trump verhängten Zölle auf südkoreanische Waren senken. Im Gegenzug soll Südkorea unter anderem 350 Milliarden Dollar in den USA investieren. Das Abkommen sei jedoch wegen Streitigkeiten über die Abwicklung der Investitionen noch nicht schriftlich fixiert, sagte Lee in dem Interview, das am Freitag in seinem Büro mit Hilfe eines Dolmetschers geführt wurde. Kern des Problems sei die Garantie, dass die Projekte kommerziell sinnvoll seien. Dies sei in den bisherigen Gesprächen nicht sichergestellt worden. US-Handelsminister Howard Lutnick hatte erklärt, Seoul müsse das Abkommen entweder akzeptieren oder die Zölle zahlen. Lee sagte auf die Frage, ob er von dem Abkommen zurücktreten würde: "Ich glaube, dass wir zwischen Blutsverbündeten in der Lage sein werden, ein Mindestmaß an Rationalität zu wahren."
Die Beziehungen zwischen den beiden Verbündeten wurden zuletzt durch eine Razzia in einem Batteriewerk des Autobauers Hyundai005380.KS im US-Bundesstaat Georgia belastet. Dabei wurden mehr als 300 südkoreanische Arbeiter wegen angeblicher Verstöße gegen die Einwanderungsbestimmungen festgenommen. Lee sagte, er glaube nicht, dass die Razzia von Trump angeordnet worden sei, sondern das Ergebnis zu eifriger Strafverfolger sei.
Lee äußerte sich zudem zu den angespannten Beziehungen zum atomar bewaffneten Nachbarn Nordkorea. Seine Annäherungsversuche seien von Pjöngjang zurückgewiesen worden, und er sei derzeit nicht optimistisch, was Gespräche zwischen den beiden koreanischen Staaten angehe. Er habe Trump jedoch ermutigt, bei dessen Asienreise im kommenden Monat erneut ein Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un zu versuchen. Die militärische Zusammenarbeit Nordkoreas mit Russland stelle eine erhebliche Bedrohung dar.
Der Präsident warnte vor einer zunehmenden Konfrontation zwischen einem "sozialistischen Lager" aus China, Russland und Nordkorea und einem "kapitalistisch-demokratischen Lager", zu dem Südkorea, Japan und die USA gehörten. Dies sei eine "sehr gefährliche Situation" für sein Land, das sich an der Frontlinie eines solchen Konflikts wiederfinden könnte. "Wir müssen einen Ausweg aus den eskalierenden militärischen Spannungen finden", sagte Lee. "Wir müssen einen Weg zur friedlichen Koexistenz finden."