Berlin, 03. Jul (Reuters) - Der Stellenaufbau am US-Arbeitsmarkt hat im Juni die Erwartungen der Experten weit übertroffen. Im vorigen Monat kamen 147.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft hinzu. Von Reuters befragte Volkswirte hatten nur 110.000 erwartet. Ökonomen sagten in ersten Reaktionen:
TOBIAS BASSE, NORDLB:
"Die aktuellen Arbeitsmarktdaten haben den Handlungsdruck bei Jerome Powell auf den ersten Blick zwar nicht erhöht, Pessimisten werden aber auf den eher schwachen Stellenaufbau in der Privatwirtschaft hinweisen wollen. Das hohe Zinsniveau belastet beispielsweise die Stimmung am nordamerikanischen Immobilienmarkt sehr nachhaltig. Eine expansivere Ausrichtung der Geldpolitik der Fed könnte an dieser Stelle wahrscheinlich helfen. Positive Impulse aus der US-Bauwirtschaft wären auf jeden Fall stützend für den Arbeitsmarkt des Landes. Somit dürfte 2025 auch in den Vereinigten Staaten noch zu einem Jahr der sinkenden Leitzinsen werden."
DIRK CHLENCH, LBBW:
"Der Anstieg der Beschäftigung fiel nur deshalb besser aus als allgemein erwartet, da auf Ebene der Bundesstaaten mehr Lehrer eingestellt wurden. Wird jedoch allein die Privatwirtschaft betrachtet, verringert sich der Beschäftigungsaufbau auf nur noch 74.000 Stellen. Aber auch damit ist der amtlich ausgewiesene Beschäftigungsanstieg wieder einmal deutlich größer als die Ergebnisse der Erhebung des Personaldienstleistungsunternehmen ADP. Im Juni ergab die ADP-Erhebung einen Beschäftigungsrückgang um 33.000 Stellen. Es herrscht somit zwar große Unsicherheit über die unterliegende Dynamik der US-Wirtschaft, mehr Anzeichen deuten aber in Richtung Abschwung."
CYRUS DE LA RUBIA, HAMBURG COMMERCIAL BANK:
"Nach dem heutigen US-Arbeitsmarktbericht scheint es immer klarer zu werden, dass die Leitzinsen bei der nächsten Fed-Sitzung nicht gesenkt werden. Die geschaffenen Stellen konnten robust wachsen, dazu gab es sogar noch Revisionen nach oben aus den vergangenen Monaten. Die Löhne wuchsen im Juni im erwarteten Tempo, aber was vor allem heraussticht, ist die Arbeitslosenquote, die entgegen der Markterwartungen gesunken ist.
Da dieser Bericht robust ausfiel, dürfte US-Notenbankchef Jerome Powell weiter argumentieren, dass die US-Wirtschaft die höheren Zinsen weiter aushält und keine Notwendigkeit für Zinssenkungen bestehen. Damit dürfte in den kommenden Wochen mit weiterem Druck seitens US-Präsident Trump auf Fed-Präsident Powell zu rechnen sein, der aber innerlich noch weniger Zweifel an der Positionierung der Fed haben dürfte."
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
"Die Fed kann sich in ihrer abwartenden Haltung bestätigt fühlen. Der robuste Arbeitsmarkt spricht gegen rasche Zinssenkungen. Da gleichzeitig auch wichtige Konjunkturfrühindikatoren auf einen weiteren soliden Verlauf der US-Wirtschaft schließen lassen, ist an eine Zinssenkung im Juli nicht im Geringsten zu denken. Wenn es sich allerdings bei den Einstellungen im öffentlichen Sektor um einen Einmaleffekt handelt, wovon auszugehen ist, könnte der Arbeitsmarktbericht im Juli allerdings tatsächlich deutlich schwächer ausfallen. Wäre dem so, gäbe es die Chance auf eine geldpolitische Lockerung im September."
BASTIAN HEPPERLE, HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:
"Weniger Neueinstellungen und offene Stellen, die nicht besetzt werden, das ist im Privatsektor der Trend. Der Stellenaufbau beim Staat überrascht. Insgesamt geht der Arbeitsmarkt weiterhin nicht in die Knie trotz der Unsicherheit stiftenden Politik der US-Regierung. Offensichtlich ist der Druck aber nicht so groß, dass Arbeitsplätze in größerem Umfang abgebaut werden müssten. Manche Entlassung dürfte auch hinausgezögert werden, weil neue Mitarbeiter schwer zu gewinnen sind, wenn es geschäftlich wieder besser läuft. Für die Fed besteht aus ihrem Vollbeschäftigungsmandat heraus derzeit kein akuter Handlungsbedarf."
RALF UMLAUF, HELABA:
"Trotz der Schwächesignale vonseiten des ADP-Reports hat sich erneut ein solider Beschäftigungszuwachs eingestellt. Die Stellendynamik gegenüber den nach oben revidierten Maiwert ist sogar gestiegen und die Konsensschätzung wurde deutlich übertroffen. Zudem ist die Arbeitslosenquote gesunken, während sich die Lohnentwicklung leicht abgeschwächt hat. Die Fed wird sich in ihrer zögerlichen Haltung bezüglich einer möglichen geldpolitischen Lockerung bestätigt sehen. Die Wetten auf eine Senkung des Leitzinsbandes bereits in diesem Monat und darüber hinaus werden gedämpft."