
Berlin, 07. Nov (Reuters) - Die deutschen Exporte sind im September auch wegen der erstmals seit Monaten anziehenden Nachfrage aus den USA überraschend kräftig gestiegen. Sie wuchsen um 1,4 Prozent im Vergleich zum Vormonat auf 131,1 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur ein Plus von 0,5 Prozent erwartet. In ersten Reaktionen hieß es:
CYRUS DE LA RUBIA, CHEFVOLKSWIRT HAMBURG COMMERCIAL BANK:
"Man kann von einer Stabilisierung der Exporte sprechen. Trotz des Zuwachses im September sind die Ausfuhren jedoch das zweite Quartal hintereinander gefallen. Die gute Nachricht ist, dass die Ausfuhren in die USA wieder gestiegen sind, nachdem sie fünf Monate in Folge gefallen waren. Im Vorjahresvergleich zeigt sich mit dramatischen Minus von 14 Prozent allerdings, welch Wunden die Zölle unserer wichtigsten Ausfuhrdestination bei den Exporteuren hinterlassen hat.
Das zweite Sorgenkind ist China. Hier gingen die Ausfuhren auch im Vormonatsvergleich zurück und der Rückgang im Vorjahresvergleich ist ebenfalls zweistellig. Die Märkte USA und China werden in absehbarer Zeit für deutsche Unternehmen in dem derzeitigen politischen und wettbewerblichen Umfeld nicht die Bedeutung wiedererlangen, die sie bis vor wenigen Jahren noch hatten, auch wenn sie wegen ihrer schieren Größe immer von großer Wichtigkeit bleiben werden. Wachstum ist aber am ehesten in anderen Emerging Markets und im EU-Binnenmarkt zu erreichen. Letzteres erfordert eine konsequente Liberalisierung bei den Güter- und Dienstleistungsmärkten, deren Potenzial trotz der Zollfreiheit nachweislich massiv durch unterschiedliche Vorschriften, Standards und bürokratische Hemmnisse bei weitem nicht ausgeschöpft ist."
CARSTEN BRZESKI, ING-CHEFVOLKSWIRT:
"Die deutschen Exporteure sehen sich derzeit mit einem dreifachen China-Schock konfrontiert: einer schwächeren Nachfrage nach deutschen Produkten in der Volksrepublik, einem verstärkten Wettbewerb durch chinesische Hersteller sowie der Abhängigkeit von chinesischen Seltenen Erden."
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE:
"Der Zuwachs rettet das Ergebnis für das dritte Quartal noch soeben. Immerhin bedeutet er Schub für das laufende Quartal. Trotz der Mehrexporte in die USA bleibt das US-Geschäft belastet, ebenso mit China. Im Zuge der gestiegenen US-Zölle wird es ohnehin noch zu spürbaren Mengenreaktionen kommen. Auch deshalb werden sich Lieferketten und Absatzwege weiter neu sortieren. Große Sprünge sind auch mit Blick auf die Exporterwartungen weiter nicht zu erwarten."
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
"Das deutliche Exportplus gegenüber den USA ist ermutigend. Deutsche Waren sind trotz der erhobenen Zölle in den USA gefragt. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Situation in den kommenden Monaten weiterentwickelt.
Doch so sehr das Zahlenwerk erfreut, die übergeordnete Entwicklung ist noch immer wenig erbaulich. Die preisbereinigte (reale) Entwicklung zeigt, dass die Exporte seit dem Jahr 2018 stagnieren. Etwas anders sieht es hingegen bei einer nominalen Betrachtung aus: Hierbei ist seit zwei Jahren eine Seitwärtsbewegung auszumachen. Die Exporte spiegeln also das wider, was auf Ebene des Bruttoinlandsproduktes ebenfalls erkennbar ist: Stagnation.
Zu den Mutmachern gehört derweil, dass die Unternehmen hinsichtlich ihrer Auftragsentwicklung wieder optimistischer sind. Dies zeigen verschiedene Umfragen. Würden in den kommenden Monaten die Auftragsbücher tatsächlich wieder voller, würden in weiterer Folge auch die Exporte nachhaltiger davon profitieren."