
Berlin, 04. Nov (Reuters) - Bundesbankchef Joachim Nagel fordert eine verstärkte Zusammenarbeit Europas in Verteidigungsfragen. Die EU-Staaten stünden der größten Bedrohung ihrer Sicherheit seit Jahrzehnten gegenüber, sagte er am Dienstagabend in Berlin. Zugleich forderten die USA als stärkster Partner im Nato-Bündnis von den Europäern, sehr viel mehr zur eigenen Sicherheit beizutragen als bisher. "Zusammengenommen bedeutet das: Europa muss aus eigener Kraft Verteidigungsfähigkeit aufbauen – und das schnell. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klaffen große Lücken."
Als Zentralbanker sei er zwar kein Verteidigungsexperte, sagte Nagel. Doch erscheine ihm enge Zusammenarbeit und Koordinierung in Europa entscheidend, um dem Anspruch gerecht zu werden. "Und ich sage bewusst Europa. Denn die Tür sollte auch Ländern außerhalb der EU offenstehen, wenn sie ähnliche Sicherheitsinteressen haben, wie etwa Großbritannien und Norwegen."
Die Bundesbank hatte jüngst bereits darauf verwiesen, dass die EU-Mitgliedstaaten seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine beabsichtigten, die Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen. Dabei ist aus Sicht der deutschen Zentralbank ein gemeinsames Vorgehen in vielen Bereichen elementar. Dies sei etwa bei großangelegten Rüstungsvorhaben der Fall, die einen europaweiten Schutz erwarten ließen.
Für die engere Zusammenarbeit in Europa gelte es nun geeignete Strukturen zu finden, sagte Nagel: "Die Zeit drängt. Wir müssen ins Handeln kommen." In diesem Fall könne nicht die Lösung sein, innerhalb der EU den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen. Die Mitgliedstaaten, die zügig vorankommen wollten, sollten sich zusammentun. Und das am besten gemeinsam mit Nicht-EU-Staaten mit gleichen Sicherheits- und Verteidigungsinteressen, wie Nagel vorschlägt. Denn Sicherheitsfragen machten nicht an der EU-Außengrenze halt.