Berlin, 10. Apr (Reuters) - Mini-Wachstum, mehr Arbeitslose, weniger Beschäftigte: Die künftige Bundesregierung kann in diesem Jahr auch wegen des Zollstreits mit den USA nicht mit Rückenwind von der Konjunktur rechnen. Die führenden Forschungsinstitute erwarten für 2025 nur noch ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,1 Prozent, nachdem sie im vergangenen September noch 0,8 Prozent prognostiziert hatten. Das geht aus der am Donnerstag veröffentlichten Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung hervor. Die Zahlen zum prognostizierten Wirtschaftswachstum bestätigten damit einen Bericht von Reuters. Damit würde Europas größte Volkswirtschaft knapp an einem dritten Rezessionsjahr in Folge vorbeischrammen: 2023 war sie um 0,3 Prozent und 2024 um 0,2 Prozent geschrumpft.
Für 2026 bestätigten die Institute hingegen ihre Wachstumsprognose von 1,3 Prozent - dann sollen die Milliarden aus dem Finanzpaket von Union und SPD für Infrastruktur und Rüstung die Konjunktur anschieben. Die Institute rechnen dadurch mit Mehrausgaben von rund 24 Milliarden Euro, die das Bruttoinlandsprodukt um etwa 0,5 Prozentpunkte ankurbeln sollen.
"Die geopolitischen Spannungen und die protektionistische Handelspolitik der USA verschärfen die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland", sagte der Konjunkturchef des Essener RWI-Instituts, Torsten Schmidt. Allein die US-Zölle auf Aluminium-, Stahl- und Kfz-Importe dürften den Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukts in diesem und im kommenden Jahr um jeweils 0,1 Prozentpunkte verringern. Die von US-Präsident Donald Trump am 2. April verkündeten und nun wieder ausgesetzten Zöllen von 20 Prozent auf viele andere Waren "könnten die negativen Effekte verdoppeln", wie es hieß.
STRUKTURREFORMEN ANGEMAHNT
"Zusätzlich sehen sich deutsche Unternehmen einem verstärkten internationalen Wettbewerb ausgesetzt – vor allem aus China", sagte Schmidt. Nicht zuletzt lasten laut den Instituten strukturelle Schwächen wie der Fachkräftemangel und hohe bürokratische Hürden auf den Wachstumskräften. Diese Schwächen ließen sich nicht durch eine bloße Erhöhung der Staatsausgaben lösen und machten potenzialstärkende Reformen umso dringlicher: "So braucht etwa das Sozialsystem Anpassungen an den demografischen Wandel, damit die Lohnnebenkosten nicht weiter stark steigen."
Die Konjunkturflaute hat auch Folgen für den Arbeitsmarkt. Seit Mitte 2022 sei die Zahl der Arbeitslosen um 20 Prozent gestiegen, hieß es. Sie soll in diesem Jahr auf durchschnittlich 2,952 Millionen nach oben gehen - das wären rund 165.000 mehr als 2024. Der Abbau von Stellen erfolge vor allem im Verarbeitenden Gewerbe, im Baugewerbe und bei den Unternehmensdienstleistern, während im öffentlichen Dienst, in der Erziehung und im Gesundheitsbereich Zuwächse erwartet werden. "Erst wenn sich die wirtschaftliche Situation im Verlauf des Jahres 2026 verbessert, ist wieder von einer sinkenden Arbeitslosigkeit auszugehen", hieß es. Auch bei den Beschäftigten wird ein Rückgang erwartet, doch soll die Zahl über der Marke von 46 Millionen bleiben.
Bei der Inflation erwarten die Institute keine größeren Ausschläge. So sollen die Verbraucherpreise in diesem Jahr erneut um 2,2 Prozent zulegen. 2026 soll die Teuerungsrate dann auf 2,1 Prozent fallen. Die Frühjahrsprognose dient der Bundesregierung als Basis für ihre neuen Projektionen, die wiederum die Grundlage für die Steuerschätzung bilden. Erstellt wird sie vom RWI in Essen, vom Ifo-Institut in München, vom IfW in Kiel, vom IWH in Halle und vom Berliner DIW.