
- von Kanishka Singh
Washington, 30. Sep (Reuters) - Der US-Friedensplan zur Beendigung des Krieges im Gazastreifen sieht überraschende Rollen für zwei politische Persönlichkeiten vor: den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair und US-Präsident Donald Trump. Der Plan skizziert eine Übergangsverwaltung für das palästinensische Küstengebiet, die von einem internationalen Gremium unter der Leitung von Trump und mit Blair als Mitglied überwacht werden soll. Die Personalie Blair sorgt jedoch für erhebliche Kritik, insbesondere wegen seiner früheren Rolle im Irak-Krieg.
WAS SIEHT DER PLAN VOR?
Dem Vorschlag zufolge soll der Gazastreifen "unter der vorübergehenden Übergangsverwaltung eines technokratischen, unpolitischen palästinensischen Komitees" stehen. Dieses Gremium soll für die tägliche Verwaltung der öffentlichen Dienste und Gemeinden zuständig sein und aus "qualifizierten Palästinensern und internationalen Experten" bestehen. Namen wurden jedoch nicht genannt. Die Hamas soll keine Rolle in der Verwaltung des Gazastreifens mehr spielen. Auch von einer Entwaffnung der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation ist die Rede. Die israelische Armee soll sich schrittweise aus dem Gazastreifen zurückziehen.
Überwacht werden soll das Verwaltungskomitee von einem neuen internationalen Gremium namens "Board of Peace" (Friedensrat). Dieses soll von Trump geleitet werden und weitere Staats- und Regierungschefs sowie Mitglieder wie Blair umfassen. Die Palästinensische Autonomiebehörde sowie mehrere mehrheitlich muslimische Länder begrüßten in einer gemeinsamen Erklärung Trumps Bemühungen um ein Ende des Krieges.
WARUM IST BLAIRS ROLLE UMSTRITTEN?
Die mögliche Beteiligung Blairs stößt bei vielen Beobachtern auf Ablehnung. Kritiker verweisen auf die Geschichte des britischen Imperialismus in der Region und insbesondere auf Blairs maßgebliche Rolle bei der Invasion im Irak im Jahr 2003. Der Einmarsch wurde mit der Behauptung begründet, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen, was sich später als falsch erwies. Die US-geführte Invasion, die bis zum Abzug der Truppen 2011 andauerte, wird weithin für ihre destabilisierende Wirkung auf die gesamte Region und die hohe Zahl an Todesopfern kritisiert. Blair selbst geriet nach der Widerlegung der Massenvernichtungswaffen-Vorwürfe massiv unter Druck.
WIE SIND DIE REAKTIONEN?
Mustafa Barghouti, Generalsekretär der Palästinensischen Nationalen Initiative, sagte der Zeitung "Washington Post": "Wir standen bereits unter britischem Kolonialismus. Er hat hier einen negativen Ruf. Wenn man Tony Blair erwähnt, ist das Erste, was die Leute nennen, der Irak-Krieg." Die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten, Francesca Albanese, äußerte sich noch deutlicher: "Tony Blair? Auf keinen Fall. Hände weg von Palästina." Blair selbst nannte Trumps Vorschlag in einer Erklärung vom Montag einen "kühnen und intelligenten Plan". Er unterstütze Trump darin, die Leitung des Gremiums zu übernehmen. Blair hatte sich Ende des vergangenen Monats mit Trump im Weißen Haus getroffen.
HINTERGRUND DES KRIEGES UND DES FRIEDENSPLANS
Bilder von hungernden Palästinensern haben weltweit Empörung über den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen ausgelöst, bei dem Zehntausende Menschen getötet und fast die gesamte Bevölkerung von rund 2,1 Millionen Menschen vertrieben wurde. Mehrere Rechtsexperten, Wissenschaftler und eine UN-Untersuchung werfen Israel Völkermord vor. Israel bezeichnet sein Vorgehen als Selbstverteidigung nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023. Dabei wurden 1200 Israelis getötet und 251 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.