
- von Parisa Hafezi und John Irish und Francois Murphy
New York/Wien, 28. Sep (Reuters) - Die Wiedereinsetzung der UN-Sanktionen gegen den Iran markiert nicht das Ende, sondern den Beginn einer neuen, unsicheren Phase im Atomkonflikt der Islamischen Republik mit dem Westen. Diplomaten und Experten zufolge stehen die westlichen Mächte nun wieder am Anfang und müssen ihre Strategie zur Eindämmung des iranischen Nuklearprogramms neu überdenken. Die Hoffnung der europäischen Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien (E3), mit der Androhung der Sanktionen die Führung in Teheran zu Zugeständnissen zu zwingen, hat sich nicht erfüllt. Nun ist die vorerst letzte diplomatische Option aufgebraucht, ohne das gewünschte Ergebnis erzielt zu haben.
Die westlichen Mächte und der Iran sind sich uneins über die verbleibenden Druckmittel. "Dieser 'Snapback'-Mechanismus ist die letzte Kugel des Westens. Sobald sie abdrücken, haben sie nichts mehr", sagte ein iranischer Hardliner kurz vor dem Ende der Verhandlungen. "Der Knüppel, den sie über unseren Köpfen geschwungen haben – wenn er einmal benutzt ist, ist er weg. Sie werden kein Druckmittel mehr haben." Westliche Diplomaten argumentieren dagegen, dass sie nun das Angebot zur Aufhebung eben dieser Sanktionen als neues Druckmittel einsetzen können. Ein solcher Prozess ist jedoch langwierig und dürfte kaum zu schnellen Zugeständnissen führen.
"Die USA haben ihre 'Trump-Karte' mit der Bombardierung wichtiger iranischer Anlagen ausgespielt", sagte Eric Brewer von der Denkfabrik Nuclear Threat Initiative in Anspielung auf das Vorgehen von US-Präsident Donald Trump. "Und obwohl das Atomprogramm sicherlich zurückgeworfen wurde, ist es nicht eliminiert worden." Der Iran sei nicht bereit, die Bedingungen der USA für ein Abkommen zu erfüllen. "Aber die USA brauchen für eine nachhaltige Lösung immer noch eindeutig ein Abkommen. In vielerlei Hinsicht sind wir also wieder am Anfang", so Brewer.
UNGEWISSHEIT DÜRFTE WACHSEN
Mit dem Inkrafttreten der Sanktionen hat der Iran diplomatische Vergeltung angekündigt. Dies könnte eine weitere Einschränkung der Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA bedeuten. "Wenn der 'Snapback'-Mechanismus ausgelöst wird und die Sanktionen zurückkehren, werden wir unsere Beziehung zur IAEA definitiv überdenken. Die Einschränkungen für Inspektionen werden sicherlich verschärft", sagte ein hochrangiger iranischer Regierungsvertreter. Dies geschieht zu einer Zeit, in der westliche Mächte und die IAEA Antworten zum Status der großen iranischen Bestände an hochangereichertem Uran fordern. Die Ungewissheit über die tatsächlichen Aktivitäten im Land dürfte damit wachsen.
E3-Diplomaten erklärten, sie würden zu ihrer Strategie aus dem Jahr 2003 zurückkehren: einer Mischung aus Druck und Dialog. Im Gegensatz zu der Zeit Anfang des Jahrtausends sind die Großmächte jetzt vor allem auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gespalten. Das macht es schwieriger, den Iran zu einer Einigung zu bewegen - zumal das Regime in Teheran die Regierung in Moskau auch mit der Lieferung von Drohnen unterstützt, die gegen die Ukraine zum Einsatz kommen. Russland und China hatten am Freitag im UN-Sicherheitsrat einen letzten Versuch unternommen, die Wiedereinführung der Sanktionen zu verhindern, waren damit jedoch gescheitert.
"SIE WISSEN, DASS WIR ZUSCHAUEN"
Für Teheran beginnt nun ebenfalls ein riskantes Spiel. Unklar ist nach wie vor, wie groß die Schäden an den Atomanlagen nach den US- und israelischen Angriffen vom Sommer sind. "Für die Iraner war das Wachstum des Atomprogramms vor dem Krieg ihr wichtigster Hebel – jetzt ist es seine Intransparenz", sagte Ali Vaez von der International Crisis Group. Dies sei jedoch ein gefährliches Manöver. "Wenn der Iran versucht, Teile seines Programms wiederzubeleben, und dies trotz der Abwesenheit von IAEA-Inspektoren vor Ort entdeckt wird, wird dies die Besorgnis über seine Absichten nur noch verstärken."
Ein israelischer Regierungsvertreter sagte, es gebe vorerst keinen Grund für neue Angriffe, es sei denn, Teheran treibe sein Programm heimlich voran. "Sie wissen, dass wir zuschauen", fügte er hinzu. Die diplomatische Pattsituation scheint in eine angespannte, langwierige Phase einzutreten.