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HINTERGRUND-UN-Sicherheitsrat - Deutschlands Kampf um Platz am Tisch der Mächtigen

ReutersSep 21, 2025 6:43 AM
  • Überschattet deutsche Israel-Haltung Bewerbung?
  • Zweidrittel-Mehrheit in UN-Generalversammlung nötig
  • SPD-Vizefraktionschefin Möller: Bewerbung ist kein Selbstläufer
  • Konkurrenz mit Österreich und Portugal
  • Wie wichtig ist Einsatz des Kanzlers?

- von Andreas Rinke

- Wenn Außenminister Johann Wadephul zu der an diesem Montag in New York beginnenden Generalversammlung der Vereinten Nationen fliegt, steht neben den aktuellen Krisenherden auch ein Thema auf seiner Agenda, das bisher nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen hat: die deutsche Bewerbung für einen zweijährigen, nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Zuletzt gelang dies für das höchste UN-Gremium in einem Acht-Jahres-Rhythmus. Aber diesmal ist vieles anders. "Der Krieg ist zurück in Europa", hatte Kanzler Friedrich Merz auf der Botschafterkonferenz Anfang der Woche gemahnt. Da er zugleich einen deutschen Führungsanspruch in Europa und eine aktivere Rolle der Bundesrepublik in der weltweiten Diplomatie beansprucht, gilt die Präsenz in der Runde der 15 Länder im Sicherheitsrat in der Regierung als besonders wichtig - und politisch brisant.

Auch wenn die Bundesregierung eine Lähmung des UN-Gremiums durch ständige Mitglieder wie Russland, China oder auch die USA kritisiert: Im Kreis der fünf ständigen Mitglieder mit Vetorecht und den zehn nicht-ständigen Mitgliedern können völkerrechtlich verbindliche Entscheidungen über Sanktionen oder Anerkennungen von Staaten fallen. In den vergangenen Jahrzehnten galten deutsche Bewerbungen für einen solchen Sitz meist als Routineangelegenheit. Das wirtschaftlich stärkste Land in Europa gehört zu den größten Beitragszahlern der UN und gilt wie kaum ein anderes Land als entschiedener Verfechter des Multilateralismus, notfalls auch gegen einen US-Präsidenten. Das hat bei jeder Bewerbung die nötige Zweidrittel-Mehrheit in der UN-Vollversammlung gesichert - was diesmal mindestens 129 "Ja"-Stimmen der 193 UN-Mitgliedsstaaten bedeuten würde.

Doch nun ringt Deutschland mit Österreich und Portugal um einen der beiden freien Sitze. Und die beiden kleineren EU-Länder haben ihre Werbekampagnen bereits seit langem laufen - Wien sammelt seit 2011 fleißig "Ja"-Stimmen. Und zumindest auf den ersten Blick gibt es handfeste Probleme: Deutschland ist etwa mit seiner Position, derzeit keinen eigenen palästinensischen Staat anzuerkennen, international klar in die Minderheit geraten, sogar engste Verbündete wie Frankreich und Kanada sind dazu bereit. Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 wird Deutschlands traditionelle Position, möglichst mit allen Handel zu treiben, von einer klareren Abgrenzung gegenüber autoritären Staaten abgelöst.

"Die Bewerbung ist deshalb diesmal kein Selbstläufer", sagt die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Siemtje Möller, zu Reuters. "Es wird eine Menge Überzeugungsarbeit gerade auf der Südhalbkugel zu leisten sein." Besonders in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern stößt Deutschlands Solidarität mit Israel angesichts der mittlerweile Zehntausenden Toten im Gaza-Krieg auf Unverständnis.

Allerdings gibt es mehrere Punkte, die einen Erfolg wahrscheinlicher machen: So verfügt Deutschland über ein viel größeres Netz an diplomatischen Vertretungen in der Welt als die beiden kleineren Mitbewerber. Außenminister Wadephul schärfte den deutschen Botschafterinnen und Botschaftern jüngst ein: Er werde in New York "um jede Stimme kämpfen". "Aber die Kandidatur ist keine Soloshow des Ministers. Sie ist eine Teamaufgabe für uns alle", mahnte er. "Jede einzelne Botschaft, jedes Generalkonsulat muss sich fragen: Was kann ich tun, damit die Stimme meines Gastlands für uns ausfällt? Da zählen wir auf jeden von Ihnen. ... Ich nehme Sie dafür in die Pflicht!"

Denn jedes Land kämpft für sich alleine. Und der komplizierte diplomatische Wahlkampf findet auf verschiedenen Ebenen statt: Einmal in den Hauptstädten der anderen UN-Mitglieder, in denen Deutschland seine Vorzüge anpreisen muss. Dann in New York, wo laut Einschätzung mehrerer Diplomaten etwa ein Drittel der Ständigen Vertreter der Staaten selbstständig und ohne Weisung ihrer Regierungen die Stimme vergeben können. Das erfordert viel Überzeugungsarbeit, Fingerspitzengefühl - und soziale Kontakte.

Dazu kommen handfeste Versprechen. Für ein Land wie Deutschland sind Bestechungen tabu. Aber es kann etwa Absprachen geben, dass man bei späteren oder anderen Abstimmungen auch für Länder stimmen wird, die die deutsche Bewerbung unterstützen. Es kann Unterstützung für Projekte geben, die anderen Regierungen wichtig sind - hier hat Deutschland als wirtschaftliches Schwergewicht viel zu bieten.

DER EINFLUSS DER SPITZENKRÄFTE

Umstritten ist, was das Spitzenpersonal tun sollte. Zwar wird im Auswärtigen Amt betont, der Hinweis Wadephuls auf die nötige "Teamleistung" sei keine versteckte Kritik an Kanzler Merz, der schon wegen der Haushaltswoche in Berlin bisher keine Pläne hat, zur UN-Vollversammlung zu fliegen. Aber in der Koalition gab es schon Unmut, warum der Kanzler die Gelegenheit eines Auftritts beim Großtreffen der Diplomaten in New York verstreichen lässt. Denn ein mögliches Scheitern der deutschen Bewerbung gilt als diplomatischer GAU in diesen Zeiten. Schon 2023 hatte die gescheiterte Kandidatur einer deutschen Juristin für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) gezeigt, dass der multilaterale Musterknabe Deutschland nicht mehr automatisch das Ansehen und die Durchschlagskraft genießt wie früher.

Deshalb gilt es mit allen Bandagen zu kämpfen. Aufmerksam wird in Berlin registriert, dass aus Österreich gleich ein Trio aus Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Christian Stocker und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger zur UN-Vollversammlung anreisen wird. Wegen der ursprünglich für Ende September geplanten Bundestagswahl hatte es Pläne gegeben, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach New York fliegen könnte - was allerdings hinfällig wurde, weil es inzwischen eine neue Bundesregierung gibt.

Allerdings: Zum einen ist die Abstimmung diesmal erst Anfang Juni 2026 - der Einfluss einer Werbetour in New York hat also nicht die Bedeutung wie in Zeiten, in denen über die Sitze im UN-Sicherheitsrat im Oktober abgestimmt wurde. "Es wird noch viele multilaterale Gelegenheiten geben, dass etwa der Kanzler für Deutschland wirbt", betonen etliche Diplomaten mit Blick auf bevorstehende Treffen der afrikanischen und südamerikanischen Staaten.

Zum anderen spielt die deutsche Bewerbung in den persönlichen Kontakten auch von Kanzler und Bundespräsident hinter den Kulissen längst eine Rolle. Steinmeier etwa kennt das wichtige Sammeln von "Ja"-Stimmen schon aus Zeiten, als er Kanzleramtschef bei Gerhard Schröder oder Außenminister bei Angela Merkel war. Das Problem: Frühere Abstimmungen haben gezeigt, dass es Länder gibt, die jedem der drei Kandidaten ein "Ja" versprechen. Deshalb wird die Nervosität, ob Deutschland den Sprung ins höchste UN-Gremium schafft, bis zum Tag der Abstimmung Anfang Juni anhalten.

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