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HINTERGRUND-Europa akzeptiert US-Handelsdeal als kleineres Übel

ReutersJul 28, 2025 6:39 AM

- von Mark John

- Die Einigung im Handelsstreit mit den USA ist für die Europäische Union eine ernüchternde Lektion in Sachen Machtpolitik. Am Ende fehlte der EU der nötige Einfluss, um die USA unter Präsident Donald Trump zu einem Abkommen nach ihren Vorstellungen zu bewegen. Stattdessen hat sie nun am Sonntag einem Deal zugestimmt, der für sie gerade noch tragbar ist - aber eindeutig zugunsten der USA ausfällt. Die Vereinbarung über einen pauschalen Zollsatz von 15 Prozent nach monatelangem Stillstand ist damit ein Realitätscheck für die Bestrebungen der 27 EU-Staaten, sich als eine Wirtschaftsmacht zu etablieren, die es mit den USA oder China aufnehmen kann.

Diese kalte Dusche wiegt umso schwerer, als sich die EU lange als Export-Supermacht und Verfechterin eines regelbasierten freien Welthandels inszeniert hat. Die eigenen Ambitionen und die Realität klaffen nun jedoch weit auseinander. Zwar ist der neue Zollsatz deutlich erträglicher als der "reziproke" Zoll von 30 Prozent, mit dem zuvor Trump gedroht hatte. Er dürfte eine Rezession in Europa verhindern, wird die Wirtschaft aber wahrscheinlich in einer Flaute halten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im vergangenen Monat prognostiziert, dass ein solcher Zollsatz ein Wirtschaftswachstum von 0,5 bis 0,9 Prozent in diesem Jahr bedeuten würde - verglichen mit gut einem Prozent ohne Handelsspannungen. Dennoch ist dies ein Ergebnis, das noch vor wenigen Monaten, vor Trumps zweiter Amtszeit, kaum vorstellbar gewesen wäre, als die US-Zölle im Durchschnitt bei etwa 1,5 Prozent lagen.

Der Weg zu diesem Kompromiss war von schrittweisen Zugeständnissen geprägt. Selbst als Großbritannien im Mai einen Basiszoll von zehn Prozent mit den USA vereinbarte, zeigten sich Spitzenmitarbeiter der EU noch überzeugt, ein besseres Ergebnis erzielen zu können. Sie drängten auf ein "Null-für-Null"-Zollabkommen, überzeugt von der eigenen wirtschaftlichen Stärke. Es dauerte nicht lange, bis die Europäer akzeptierten, dass zehn Prozent wohl das Maximum sein dürften. Wenige Wochen später mussten sie sogar denselben Basiszoll von 15 Prozent hinnehmen, den die USA kurz zuvor mit Japan vereinbart hatten.

Der Druck, eine Einigung zu erzielen, kam zunehmend aus der eigenen Wirtschaft. Exportorientierte Unternehmen von NokiaNOKIA.HE in Finnland bis zum schwedischen Stahlhersteller SSABSSABa.ST litten unter der wachsenden Unsicherheit. "Wir hatten ein schlechtes Blatt. Dieses Abkommen ist unter den gegebenen Umständen der bestmögliche Spielzug", sagte ein EU-Diplomat. "Die letzten Monate haben deutlich gezeigt, wie schädlich die Unsicherheit im Welthandel für die europäischen Unternehmen ist."

Dieses Ungleichgewicht, von den Unterhändlern als "Asymmetrie" bezeichnet, spiegelt sich im Abkommen wider. Es wird erwartet, dass die EU nicht nur auf jegliche Vergeltungsmaßnahmen verzichtet. Obendrein verpflichtet sie sich auch noch zu Investitionen von 600 Milliarden Dollar in den USA. Der Zeitrahmen dafür ist ebenso unklar wie andere Details des Abkommens.

Im Verlauf der Gespräche wurde deutlich, dass die EU zu dem Schluss kam, bei einer Konfrontation mehr zu verlieren zu haben. Die angedrohten Vergeltungsmaßnahmen beliefen sich auf rund 93 Milliarden Euro – weniger als die Hälfte des EU-Handelsüberschusses mit den USA von fast 200 Milliarden Euro. Zwar waren immer mehr EU-Länder bereit, weitreichende Maßnahmen gegen wirtschaftlichen Zwang in Betracht zu ziehen. Ins Visier geriet der Dienstleistungssektor, in dem die USA einen Handelsüberschuss von rund 75 Milliarden Dollar mit der EU erzielen. Doch selbst hier gab es keine klare Mehrheit dafür, Digitalkonzerne wie NetflixNFLX.O, UberUBER.N oder die Cloud-Dienste von MicrosoftMSFT.O anzugreifen, für die es kaum europäische Alternativen gibt.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Erfahrung die europäischen Staats- und Regierungschefs dazu bewegen wird, die seit langem geforderten Wirtschaftsreformen und die Diversifizierung der Handelspartner zu beschleunigen. Bislang sind sie an nationalen Differenzen gescheitert.

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