- von Christoph Steitz und Victoria Waldersee und Giulio Piovaccari
Frankfurt/Berlin/Mailand, 28. Apr (Reuters) - Die erratische Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump lässt viele Mittelständler erst einmal tief Luft holen. Nur keine voreiligen Schlüsse ziehen lautet das Motto für kleinere Firmen, die sich auf dem US-Markt engagieren oder dies vorhaben. Noch ist offen, ob die Rechnung Trumps aufgeht, mit Zöllen auf alle möglichen Waren wie Stahl, Autos, Cognac oder Sandalen den Bau neuer Werke in den USA anzufeuern und Tausende neue Jobs zu schaffen. Während sich große Konzerne etwa aus der Auto- oder der Pharmaindustrie mit dem Versprechen von zum Teil milliardenschweren Investitionen in den USA beeilten, sondieren kleinere Unternehmen die Lage.
"Die Entscheidung über ein drittes US-Werk oder die Erweiterung unseres zweiten Werks in Tennessee, USA, stellen wir erstmal zurück und warten ab, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere in den USA, entwickeln", sagt etwa der Chef des Familienunternehmens ebm-papst, Klaus Geißdörfer. Das auf Ventilatorlösungen spezialisierte Familienunternehmen lege großen Wert auf stabile und verlässliche Rahmenbedingungen, die Innovation und Wachstum förderten. Ein neues Werk koste in den USA 30 bis 50 Millionen Euro und schaffe bis zu 500 Jobs. "Wenn es in den USA zu einem wirtschaftlichen Abschwung kommt, wird sich vielleicht auch die Nachfrage anders entwickeln." Und falls eine globale Rezession zum Flächenbrand werde, würde das die exportorientierte deutsche Industrie und auch ebm-papst stark betreffen. "Da hilft es nichts, dass wir Wachstumsfelder bedienen."
ZURÜCKHALTEN UND ÜBERDENKEN
Auch der Maschinenbau-Verband VDMA berichtet von einer Zurückhaltung der Firmen durch das Hin und Her der US-Regierung beim Thema Zölle. Während eines kürzlichen Besuchs bei Mitgliedsunternehmen in den USA hätten viele von einer allgemein zögerlichen Haltung berichtet, erzählt VDMA-Handelsexperte Andrew Adair. Viele Kunden der Mittelständler hielten sich mit Bestellungen zurück und warteten die weitere Entwicklung ab. "Und einige unserer Mitgliedsfirmen legen ihrerseits große Ausgaben auf Eis." Eigentlich setze die Trump-Regierung ja darauf, dass ausländische Firmen ihre Produktion durch die Zölle in die USA verlagerten, sagt Adair. "Aber stattdessen hat die Industrie offenbar im Moment den Pausenknopf gedrückt."
Marc Tenbieg, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Mittelstands-Bunds (DMB), findet die Trumpsche Zollpolitik ebenfalls kontraproduktiv: "Anders als von Donald Trump erhofft, wird sein Protektionismus nicht dazu führen, dass sich deutsche Unternehmen nun vermehrt in den USA ansiedeln und dort Arbeitsplätze schaffen", erklärte er. Dem Verband zufolge überprüfen einige Firmen gerade ihre US-Geschäfte im Lichte der US-Zollpolitik. Ihre Namen wollte der Verband wegen des sensiblen Themas nicht preisgeben.
"SITUATION KANN SICH ÜBER NACHT ÄNDERN"
Kleinere und mittlere Unternehmen sind in vielen Ländern das Rückgrat der Wirtschaft, darunter Deutschland und Italien. Viele von ihnen liefern in die USA. Das italienische Unternehmen EuroGroup LaminationsEGLA.MI muss nach eigenen Angaben derzeit keine Zölle für Rotoren und Statoren zahlen, die es von seinem Werk in Mexiko an Kunden in den USA wie die Autobauer FordF.N oder General MotorsGM.N liefert. Im Fall einer Verlagerung der Produktion in die USA müsste das Unternehmen jedoch wohl Zölle für speziellen Stahl zahlen, den es verwende, sagt Firmenchef Marco Arduini. Hinzu komme, dass die Lohnkosten in den USA bis zu sechsmal so hoch wie in Mexiko seien.
Das deutsche Familienunternehmen LAPP, Anbieter von Kabeln, Leitungen und Zubehör, sieht sich hingegen in den USA gut aufgestellt. "Da wir schon immer stark vor Ort für den lokalen Markt produzieren, können wir etwas aufatmen", betont Firmenchef Matthias Lapp. So mache sich das Unternehmen unabhängiger von geopolitischen und ökonomischen Entwicklungen. Seine Firma plane langfristig, nicht in Wahlperioden. Die USA seien ein wichtiger Wachstumsmarkt. "Schon vor der Wahl haben wir wichtige Investitionsentscheidungen für die USA getroffen. Diese Vorhaben verfolgen wir weiter."
Wirtschaftsberater wie AlixPartners empfehlen eine "Abwarten und Beobachten"-Strategie. Sebastian Zank von der Rating-Agentur Scope betont, es sei völlig unklar, was in zwei Wochen oder zwei Jahren sei. "Kein Unternehmen mit einem vorausschauenden Management wird jetzt große Investitionen beschließen", sagt er. "Wir haben gesehen, dass sich die Situation über Nacht schnell ändern kann."