Berlin, 30. Mai (Reuters) - In den USA hat ein Bundesberufungsgericht die von Präsident Donald Trump gegen Handelspartner erlassenen umfangreichen Zölle zunächst wieder in Kraft gesetzt. Das vorherige Urteil eines Handelsgerichts werde mit sofortiger Wirkung ausgesetzt, verfügte das Berufungsgericht für den Bundesbezirk Washington am Donnerstag, gab aber keine Begründung ab. Allerdings sind Kläger bis zum 5. Juni zu einer Stellungnahme aufgefordert, die US-Regierung bis zum 9. Juni. Die überraschende Entscheidung des US-Gerichtshofs für Internationalen Handel vom Mittwoch hätte die Einführung von Trumps Zöllen für die meisten US-Handelspartner gestoppt oder zumindest verzögert.
Analysten sagten zu der jüngsten Entwicklung in ersten Reaktionen:
JOCHEN STANZL, CHEF-MARKTANALYST CMC MARKETS:
"Die Debatte um die US-Zölle erreicht eine neue Eskalationsstufe: Die fortlaufend wechselnden Urteile zur Rechtmäßigkeit schüren zusätzliche Unsicherheit an der Börse. Nach der Rally auf neue Rekorde tauchte der DAX wegen des juristischen Zoll-Hick-Hacks wieder unter die 24.000 Punkte ab. Anleger sollten sich nicht darauf verlassen, dass Gerichtsentscheidungen die Zölle aufheben – US-Präsident Donald Trump behält sich alternative Durchsetzungswege vor und kann Sanktionen jederzeit neu formulieren."
CHRISTOPH BALZ, COMMERZBANK:
"Vor Trumps Amtsantritt im Januar betrug der durchschnittliche US-Zollsatz gut zwei Prozent. Die inzwischen von ihm eingeführten Zölle erhöhten ihn gemäß Yale Budget Lab auf etwa 17 Prozent. Würde das Gerichtsurteil vom Mittwoch bestätigt und entfielen damit wieder einige Zölle, ergäbe sich laut Yale Budget Lab ein Durchschnittszoll von sieben Prozent. Dies wäre immer noch ein deutlicher Schock, aber der Anstieg von fünf Prozentpunkten würde nur ein Drittel des ursprünglichen (von zwei auf 17 Prozent) betragen.
Die Unsicherheit, wie es mit den Zöllen weitergeht, bleibt hoch, was beispielsweise dazu führen könnte, dass Unternehmen Investitionsentscheidungen auf Eis legen. So könnten die Gerichte Trumps Zölle doch noch für rechtmäßig erklären. Alternativ könnte Trump ähnliche Zölle mit anderen Begründungen einführen, wobei ihm aber dann vermutlich ein Teil der Flexibilität verloren ginge, wie in den letzten Wochen die Zölle einfach nach eigenem Gutdünken festzulegen oder zu ändern. Die Verhandlungen über Handelsabkommen (etwa mit der EU) sollen weitergehen. Die Handelspartner dürften aber Rückenwind verspüren und könnten eher etwas abwarten, ob sich ihre Verhandlungsposition vielleicht verbessert."
RALF UMLAUF UND ULRICH WORTBERG, HELABA:
"Das Zollchaos in den USA ist das beherrschende Thema an den Finanzmärkten. Ein US-Bundesgericht hat viele Zollverordnungen für nichtig erklärt. Dabei geht es insbesondere um die wechselseitigen Zusatzzölle und den globalen Basiszoll von zehn Prozent. Inzwischen hat ein Berufungsgericht die Zölle wieder in Kraft gesetzt, und die Regierung hat erklärt, im Zweifel bis vor den obersten Gerichtshof ziehen zu wollen. Zudem gebe es andere Wege, Zölle zu erheben. Vor diesem Hintergrund bleibt die Nervosität an den Märkten groß."