- von Lewis Krauskopf
New York, 02. Jul (Reuters) - Der US-Aktienmarkt hat die erste Jahreshälfte nach einer Achterbahnfahrt auf einem Rekordhoch beendet. Zu Beginn des zweiten Halbjahres treibt Anleger die Frage um, wie es an der Wall Street nun weitergeht. Im Folgenden einige der wichtigsten Fragen von Anlegern zu einer Reihe von Faktoren, die Aktien im Jahresverlauf aus der Bahn werfen könnten.
GREIFEN DIE ZÖLLE ODER BLEIBT ES BEI DROHUNGEN?
Während die schlimmsten Befürchtungen über die von US-Präsident Donald Trump verhängten Zölle abgeklungen sind, könnte kurzfristig mehr Volatilität drohen, da die USA in den kommenden Wochen versuchen werden, Handelsabkommen auszuhandeln. Der 9. Juli als Stichtag für viele Zölle könnte, sofern er eingehalten wird, eine erste Bewährungsprobe für Aktien in der zweiten Jahreshälfte darstellen.
Selbst wenn einige der härtesten Abgaben zurückgenommen werden, könnten höhere effektive Zölle in diesem Jahr immer noch die Inflation in die Höhe treiben und die Unternehmensgewinne und Verbraucherausgaben schmälern. Der effektive US-Zollsatz auf Grundlage der angekündigten Maßnahmen ist von drei Prozent zu Beginn des Jahres auf 13 Prozent gestiegen, rechneten die Analysten von Goldman Sachs jüngst vor.
Nach den starken Gewinnen im ersten Quartal werden die Ergebnisse der US-Unternehmen ein wichtiger Gradmesser sein, um zu beurteilen, ob die Wall Street die Auswirkungen der Zölle richtig einkalkuliert hat. Die Berichtssaison für das zweite Quartal beginnt später in diesem Monat, wobei die Gewinne des S&P 500 in diesem Zeitraum laut LSEG IBES um knapp sechs Prozent gestiegen sein dürften.
WANN WIRD DIE US-NOTENBANK FED DIE ZINSEN SENKEN?
Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hat die Sorge, dass Zölle die Inflation in die Höhe treiben könnten, als Grund dafür angeführt, dass die Zentralbank mit Zinssenkungen noch warten will. Dennoch deuten die Fed-Futures darauf hin, dass bis zum Ende dieses Jahres fast drei Zinssenkungen am Markt erwartet werden, wobei die erste wahrscheinlich im September erfolgen wird, wie LSEG-Daten zeigen.
Die Fed und Powell stehen unter massivem Druck von Trump, die Zinssätze zu senken. Zugleich hält der US-Präsident nach einem Nachfolger für Powell Ausschau - bereits vor Ablauf der Amtszeit im Mai 2026. Dieser Schritt könnte die Erwartungen für weitere Zinssenkungen erhöhen, aber zugleich auch die Märkte in Unruhe versetzen, die sich um die Unabhängigkeit der Notenbank sorgen.
Eine sich abschwächende US-Wirtschaft könnte die Zentralbank ebenfalls dazu veranlassen, die Zinsen zu lockern. Im Fokus steht nun der US-Arbeitsmarktbericht, der wegen des US-Nationalfeiertags am Freitag bereits am Donnerstag veröffentlicht wird.
IST BIG TECH WIEDER AUF DEM VORMARSCH?
Nach einem holprigen Jahresauftakt haben Technologie- und Wachstumsaktien wieder die Führung an der Börse übernommen. Der Tech-Sektor.SPLRCT war im zweiten Quartal der Sektor mit der besten Performance im S&P 500. Vor allem die sogenannten "Magnificent Seven"-Mega-Cap-AktienMAGS.Z sind seit den Tiefstständen des Marktes im April stark angestiegen.
Diese Entwicklung hat die Sorge wieder aufleben lassen, dass lediglich eine relativ kleine Anzahl von Unternehmen den Markt antreiben und der Anstieg nicht von einer breiten Basis getragen wird. Dennoch gehen viele Anleger nach wie vor davon aus, dass im weiteren Jahresverlauf mehr Aktien zu den Marktgewinnen beitragen werden.
Die gleichgewichtete Version des S&P 500 - die die Performance der durchschnittlichen Aktien im Index besser abbildet - hat im Jahr 2025 bisher fast vier Prozent zugelegt. "Ich würde vermuten, dass wir, wenn der Markt weiter steigen soll, eine Verbreiterung sehen müssen", sagte Brent Schutte, Investmentchef bei Northwestern Mutual Wealth Management.
WIE TEUER KÖNNEN AKTIEN WERDEN?
Mit dem Aufschwung des Marktes sind auch die Aktienbewertungen angestiegen. Am Freitag, als der S&P 500 sein erstes Rekordhoch seit über vier Monaten erreichte, lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Index bei 22,2. Dies war der höchste Stand seit Februar und lag deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von 15,8.
Bei der Bewertung von Aktien achten die Anleger zunehmend auf die künftigen Ertragsaussichten, einschließlich der Frage, ob sich die Gewinne im Jahr 2026 deutlich verbessern werden.
Ein weiterer Faktor sind die Renditen der Staatsanleihen, die bei einem Anstieg die Aktienbewertungen unter Druck setzen. Zwar sind die Benchmark-Renditen seit Anfang des Jahres zurückgegangen, doch könnte jeder Anstieg der zehnjährigen Rendite die Aktienanleger verunsichern, zum Beispiel wenn das Haushaltsgesetz die Sorgen über das wachsende US-Defizit befeuert.
ZWEIFELN ANLEGER AN DER AUSNAHMESTELLUNG DER USA?
Die Frage nach der Anziehungskraft von US-Vermögenswerten war im Jahr 2025 ein weltweites Thema. Trumps überraschende Zoll-Ankündigung im April löste weltweit Unsicherheit über die amerikanische Politik aus. Der US-Dollar erreichte kürzlich den niedrigsten Stand seit drei Jahren gegenüber einem Korb der wichtigsten Währungen. Im ersten Halbjahr verlor der Dollar-Index mehr als zehn Prozent und verzeichnete damit den stärksten Rückgang in den ersten sechs Monaten des Jahres seit 1973, als die USA einen frei schwankenden Wechselkurs einführten.
Nach einer langen Periode der Dominanz sind US-Aktien in diesem Jahr bisher hinter ihren internationalen Pendants zurückgeblieben. Außerhalb der USA sind Aktien im Allgemeinen immer noch relativ günstig, was die Frage aufwirft, welche Gruppe sich im Jahr 2025 durchsetzen wird.
WIRD DIE GEOPOLITIK WIEDER ZU EINEM RISIKO?
Während des jüngsten Konflikts zwischen Israel und dem Iran gerieten Aktien kurzzeitig unter Druck, bevor sich die Spannungen wieder beruhigten. Analysten befürchten, dass ein Wiederaufflammen der Feindseligkeiten im Nahen Osten zu neuer Volatilität an den Finanzmärkten führen könnte. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die Beschränkung des Ölangebots die Rohölpreise auf über 100 Dollar je Barrel ansteigen ließe.
In den vergangenen 30 Jahren waren geopolitische Unruhen nur selten ein Hindernis für US-Aktienrenditen, so die Barclays-Strategen in einer kürzlich veröffentlichten Notiz. Sie fügten jedoch hinzu, dass geopolitische Spannungen immer wieder Phasen erhöhter Volatilität auslösen und dass Risikoanlagen im Allgemeinen anfällig wären, sollte sich der aktuelle Konflikt verschärfen.