Den Haag, 28. Apr (Reuters) - Vertreter der Vereinten Nationen und der Palästinenser haben Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) vorgeworfen, mit der Blockade von Hilfslieferungen für den Gazastreifen gegen internationales Recht zu verstoßen. Israel habe als Besatzungsmacht eine klare Verpflichtung, humanitäre Hilfe für die Menschen in dem abgeriegelten und umkämpften Küstengebiet zuzulassen, erklärte die UN-Chefrechtsberaterin Elinor Hammarskjöld am Montag zu Beginn der Anhörungen am höchsten UN-Gericht in Den Haag. Allen relevanten UN-Einrichtungen müssten Hilfsdienste zum Wohl der lokalen Bevölkerung ermöglicht werden. Der palästinensische Vertreter Ammar Hidschasi warf Israel vor, humanitäre Hilfe als "Kriegswaffe" zu missbrauchen, während die Menschen im Gazastreifen vom Hungertod bedroht seien.
Israels Außenminister Gideon Saar teilte in Jerusalem mit, sein Land habe seine Position schriftlich eingereicht. Die Anhörung bezeichnete er als "Zirkus". Das Gericht werde politisiert, während die UN es versäumten, sich von Mitarbeitern ihres Palästinenser-Hilfswerks UNRWA zu trennen, die Mitglieder militanter Gruppen im Gazastreifen seien. "Sie missbrauchen das Gericht erneut, um Israel zur Zusammenarbeit mit einer Organisation zu zwingen, die von Hamas-Terroristen durchsetzt ist", erklärte Saar. "Das Ziel ist, Israel seines grundlegendsten Rechts auf Selbstverteidigung zu berauben." Die UN hatten im August eingeräumt, dass neun UNRWA-Mitarbeiter möglicherweise an dem die israelische Militäroffensive auslösenden Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen und entlassen worden seien.
Seit dem 2. März hat Israel den Zugang aller Hilfslieferungen für die 2,3 Millionen Bewohner des Gazastreifens gestoppt. Es will keine Hilfsgüter hineinlassen, bis die Hamas alle verbliebenen Geiseln freilässt. Die während einer Waffenruhe zu Jahresbeginn gelagerten Nahrungsmittelvorräte sind nahezu aufgebraucht. Israel wirft der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation zudem vor, humanitäre Hilfe abzuzweigen, was die Hamas bestreitet.
Der IGH wurde im Dezember beauftragt, ein Gutachten zu Israels Verpflichtungen bei der Erleichterung von Hilfslieferungen für Palästinenser durch Staaten und internationale Organisationen wie die UN zu erstellen. Dies dürfte voraussichtlich Monate dauern. Gutachten des IGH haben rechtliches und politisches Gewicht, sind jedoch nicht bindend, und das Gericht verfügt über keine Durchsetzungsbefugnisse. US-Präsident Donald Trump hat nach eigenen Angaben am Freitag den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gedrängt, Nahrungsmittel und Medikamente in den Gazastreifen zu lassen. Deutschland, Frankreich und Großbritannien forderten vergangene Woche, die ungehinderte Passage humanitärer Hilfe in das abgeriegelte Palästinenser-Gebiet zu ermöglichen.