Washington, 28. Mai (Reuters) - Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) steuert vor dem Hintergrund der radikalen Politikwende in Washington auf einen Zielkonflikt zu. Bei womöglich anziehenden Preisen und gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit kämen "schwierige Abwägungen" auf die Zentralbank zu, heißt es in den am Mittwoch veröffentlichten Mitschriften der jüngsten Zinssitzung. Man müsse dann entscheiden, ob der Inflationsbekämpfung durch eine straffere Geldpolitik oder einer Senkung der Leitzinsen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung Vorrang eingeräumt werden sollte.
Die Fed hat ihren Leitzins auf der jüngsten Sitzung in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent belassen. Sie will zunächst mehr Klarheit erhalten, wie sich die von US-Präsident Donald Trump betriebene Politikwende von der Migrations- bis hin zur Handelspolitik auf Preise und Arbeitsmarkt auswirkt. "Fast alle Teilnehmer wiesen auf das Risiko hin, dass die Inflation hartnäckiger andauern könnte als erwartet", heißt es in den Protokollen.
REZESSIONSRISIKEN
Der Hintergrund dieser Sorgen ist auch, dass sich die US-Wirtschaft an die von Trump teils vorgeschlagenen und teils beschlossenen höheren Importzölle anpassen müsste. Die Teilnehmer der Zinssitzung waren sich einig, dass die Unsicherheit über die Konjunkturaussichten weiter zugenommen habe. Daher sei ein vorsichtiger Ansatz angebracht, bis die wirtschaftlichen Effekte der verschiedenen Änderungen der Regierungspolitik deutlicher würden.
In Analysen des Fed-Stabs wurde zum Zeitpunkt der Zinssitzung am 7. Mai die Möglichkeit einer Rezession noch für "fast ebenso wahrscheinlich wie das Basisszenario" eines zwar nachlassenden, aber anhaltenden Wachstums gehalten. Die USA und China haben im Handelskrieg mittlerweile allerdings abgerüstet: Beide Seiten einigten sich auf eine 90-tägige Stillhaltefrist in dem Streit sowie deutlich niedrigere Zollsätze, womit nach Ansicht vieler Analysten das Rezessionsrisiko in den USA geringer geworden sein dürfte.
Laut Fed-Direktor Christopher Waller könnte die Fed in der zweiten Jahreshälfte Senkungen angehen, falls sich die Lage an der Zollfront beruhigen sollte. Die Mitschriften der Zinssitzung ließen die Anleger weitgehend kalt. Die wichtigsten Indizes an der Wall Street.DJI.SPX.IXIC verharrten bei ihren leichten Verlusten, während der Dollar-Index.DXY weiterhin knapp ein halbes Prozent im Plus lag.