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WDHLG-ANALYSE-Die verlorene Unschuld - Merz unter Druck in Ukraine- und Israel-Politik

ReutersMay 27, 2025 5:45 AM
  • Kanzler machte harte Ansagen - aber nun muss er liefern
  • Putin missachtet seine Ultimaten
  • Langsames EU-Sanktionstempo zehrt an Glaubwürdigkeit
  • Bei Israel schwankt Regierung zwischen Solidarität und Sanktionen
  • In der schwarz-roten Koalition macht sich Unmut breit

- von Andreas Rinke

- Kanzler Friedrich Merz hat Russlands Präsident Wladimir Putin bereits drei Ultimaten gestellt. Im Bundestag erklärte er als Oppositionsführer, sollten russische Angriffe auf Zivilisten nicht aufhören, würden deutsche Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine geliefert. In Kiew forderte er vor gut zwei Wochen eine Waffenruhe vor dem Beginn von Friedensverhandlungen, ansonsten würden harte EU-Sanktionen folgen. Diese Frist verlängerte er dann nochmals bis Ende der Woche. Für alle drei Ansagen bekam er Applaus als Mann der klaren Worte. Aber nun gerät er sowohl in der Ukraine- als auch in der Israel-Politik in Schwierigkeiten. Denn Kritiker werfen ihm fehlende Glaubwürdigkeit vor - weil den Verstößen Russlands und der israelischen Regierung gegen die Ansagen oder Mahnungen beim Thema Gaza keine Taten folgten.

UKRAINE ALS TESTFALL FÜR ENTSCHLOSSENHEIT

Am gravierendsten ist der Fall bei der Ukraine. Hier werfen die Grünen Merz vor, beim Wechsel aus der Opposition in die Regierung seine Positionen geändert zu haben - etwa bei der Taurus-Lieferung. Seine Ankündigung, dass man nicht mehr sagen wolle, welche Waffensysteme man der Ukraine geliefert hat, wird als Ausflucht angesehen - weil in Regierungskreise durchaus angedeutet wurde, dass man intern von der Lieferung der Marschflugkörper längst abgerückt sei. Am Montag versuchte Merz zu kontern, indem er darauf verwies, dass es keine Reichweitenbeschränkung bei den gelieferten Waffen mehr gebe. Ob dies Taurus einschließt, blieb aber offen.

Das zweite Problem für Merz ist, dass das Entscheidungstempo der EU nicht zu den klaren Ansagen passt. Sein Umfeld verweist darauf, dass in der EU sofort nach dem nicht erfolgten Waffenstillstand tatsächlich mit der Vorbereitung eines härteren 18. EU-Sanktionspakets begonnen wurde - man also Wort gehalten habe. Nur dauern die Arbeiten an, vergangenen Dienstag wurde erst einmal das 17., längst vorbereitete Sanktionspaket beschlossen. Das zehrt am Eindruck der Entschlossenheit.

Drittens leidet vor allem Merz bei seinem Versuch klarer Ansagen an dem russischen Präsidenten unter dem Wankelmut des US-Präsidenten Donald Trump. Dieser verriet in seinem Telefonat mit Putin kurzerhand die mit den Europäern besprochene Position - und ließ die Europäer schwach und isoliert dastehen. Als Oppositionsführer hätte Merz darin ein Mitversagen von Scholz gesehen. Als Kanzler sieht er nun selbst schlecht aus. Dass Trump nun erneut eine Volte in der Ukraine-Politik zu schlagen scheint, sorgt im Kanzleramt nur für einen kleinen Hoffnungsschimmer. Merz selbst verwies am Montag sarkastisch auf die geringe Halbwertzeit von Trump-Aussagen.

PROBLEMFALL ISRAEL

Zeitgleich eskaliert die Lage im Gazastreifen weiter - was vor allem Deutschland als historischer Israel-Unterstützer vor enorme Probleme stellt. Seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 sind deutsche Regierungen zerrissen zwischen Solidarität mit dem jüdischen Staat und Mahnungen an die ultranationalistische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Schon die Scholz-Regierung wurde massiv kritisiert und von Nicaragua sogar verklagt, weil sie trotz des folgenden israelischen Vorgehens im Gazastreifen mit mehr als 50.000 Toten weiter Waffen an Israel liefert. Von Südafrika bis Brasilien kritisierten vor allem Länder der Südhalbkugel, dass Deutschland von ihnen einerseits Sanktionen gegen Russland fordert, aber Israel mit seiner mittlerweile sogar offen erklärten Landnahme im besetzten Westjordanland davonkommen lässt.

Die neue Regierung muss wegen der israelischen Blockade für Hilfsgüter im Gazastreifen nun noch weiter in den Spagat gehen. Auch Merz versichert Israel, dass die Sicherheit Israels zur Staatsräson Deutschlands gehöre. Weil aber alle Mahnungen an Netanjahu nichts fruchten, sprach auch der Kanzler am Montag davon, dass humanitäres Völkerrecht jetzt verletzt werde. Aber: Den Weg zu Sanktionen, wie ihn Frankreich, Großbritannien und Kanada gehen wollen, will er immer noch nicht beschreiten.

Deshalb grummelt es nun in der eigenen Koalition. Politiker der SPD gingen mit der Forderung nach einen Stopp der Waffenlieferungen in die Öffentlichkeit. Und nach außen wirkt es seltsam, dass Merz und Außenminister Johann Wadephul zwar in der Ukraine-Politiker die Einheit des Westens beschwören, aber zulassen, dass Deutschland in der EU beim Thema Israel weitgehend isoliert ist.

Wie ein Damoklesschwert hängt zudem ein drohender Netanjahu-Besuch über dem Kanzler: Einerseits will die Regierung zu Israel stehen, andererseits aber die Vorgaben des Internationalen Strafgerichtshof achten, der einen Haftbefehl für Netanjahu ausgestellt hat. Sollte Netanjahu wirklich kommen, würde die Glaubwürdigkeit an der ein oder anderen Stelle leiden.

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