- von Andrew Osborn
Moskau, 17. Aug (Reuters) - Wladimir Putin ist es gelungen, die jahrelangen Versuche des Westens zu durchbrechen, ihn zu isolieren. Zudem konnte er bei dem Gipfel mit Donald Trump in Alaska die US-Position im Ukraine-Krieg zu seinen Gunsten verschieben und die unmittelbare Verhängung neuer Sanktionen abwenden. Insofern scheint er der klare taktische Sieger des Treffens. Das sehen auch russische Staatsmedien so, die einen Triumph feiern. Allerdings sind Putins strategische Gewinne unsicher und seine wichtigsten wirtschaftlichen Ziele blieben unerfüllt. Er hat einen Erfolg errungen, dessen Dauerhaftigkeit sich erst noch zeigen muss.
Ein Gewinn war für Putin bereits die Inszenierung des Gipfels. Roter Teppich, Trumps "Applaus" beim Empfang, die gemeinsame Fahrt in der Präsidentenlimousine "The Beast" - all das signalisierte der Welt, dass die Isolation beendet ist. Dabei liegt gegen Putin ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor. "Drei Jahre lang haben sie über die Isolation Russlands gesprochen, und heute konnten sie sehen, wie der rote Teppich ausgerollt wurde, um den russischen Präsidenten in den USA willkommen zu heißen", sagte etwa die russische Außenamts-Sprecherin Maria Sacharowa. Ex-Präsident Dmitri Medwedew erklärte gar, der Mechanismus für hochrangige Treffen sei "in seiner Gesamtheit wiederhergestellt".
Der größte Erfolg für Putin betrifft aber den Ukraine-Krieg. Er überzeugte Trump offenbar, von der bisherigen Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand abzurücken. Stattdessen soll nun direkt über eine Friedenslösung verhandelt werden – eine Position, die Moskau seit langem vertritt. Zuvor hatten die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten mit Unterstützung der USA auf einem Waffenstillstand als Vorbedingung bestanden. Mutmaßlich aus gutem Grund, denn bei Kriegen lässt sich ein Waffenstillstand mit wenigen Grundregeln als Zwischenlösung meist leichter vereinbaren als der Gesamtkonflikt mit deutlich mehr Aspekten. "Die Position des US-Präsidenten hat sich nach den Gesprächen mit Putin geändert", kommentierte dies die russische Fernsehmoderatorin Olga Skabejewa. "Die Diskussion wird sich nun nicht auf einen Waffenstillstand, sondern auf das Ende des Krieges konzentrieren. Und auf eine neue Weltordnung. Genau so, wie Moskau es wollte."
Hinter den Kulissen untermauerte Putin seine diplomatischen Vorstöße mit konkreten Forderungen vor dem Hintergrund russischer Geländegewinne an der Front. Er ist Insidern zufolge bereit, die Frontlinien in den Regionen Saporischschja und Cherson einzufrieren. Im Gegenzug müsse sich die Ukraine aus den Regionen Donezk und Luhansk vollständig zurückziehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lehnt dies ab. Trump übt nun aber Druck auf Kiew und Europa aus. Der "New York Times" zufolge sagte Trump europäischen Politikern, ein solcher Kompromiss würde zu einer Einigung beitragen. Nach dem Gipfel sagte Trump, die Ukraine müsse einen Deal machen, "denn Russland ist eine sehr große Macht, und sie (die Ukraine) sind es nicht".
Für die europäischen Verbündeten, allen voran Deutschland, bedeutet dies eine heikle Neujustierung. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte, die USA seien bereit, Teil von Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu sein. Dies deutet darauf hin, dass die USA eine aktive Rolle in einer Nachkriegsordnung anstreben, deren Konturen nun jedoch unter starkem russischen Einfluss verhandelt werden. Trump hat bereits in der Vergangenheit Druck ausgeübt, wenn es nicht nach seinem Willen ging - etwa beim legendären Schlagabtausch mit Selenskyj im Weißen Haus im Februar 2025. Nun müssen sich zunächst die Ukraine und Europa positionieren. Deren Reaktion auf Trumps erhöhten Druck wird entscheidend sein. Möglicherweise stehen Kiew und seine Partner vor der Wahl, entweder unter ungünstigeren Bedingungen zu verhandeln oder den Krieg mit schwindender US-Unterstützung fortzusetzen.
Trotz dieser Erfolge hat Putin nicht alles bekommen, was er wollte. Den von ihm erhofften Neustart der Beziehungen in der Wirtschaft gibt es nicht. Trump hatte vor dem Treffen gesagt, es werde keine Geschäftsabschlüsse geben, solange der Krieg andauere. Putins mitgereister Finanzminister und der Chef des russischen Staatsfonds, die auf Geschäfte in den Bereichen Arktis, Energie und Technologie hofften, kamen tatsächlich auch nicht zum Zuge. Auch der Aufschub bei den Sanktionen könnte nur von kurzer Dauer sein. Trump deutete an, dass er sich in zwei oder drei Wochen wieder mit der Frage von Strafmaßnahmen gegen China wegen dessen Finanzhilfen für Moskau befassen müsse.
Westliche Beobachter wollen daher Putins Erfolg nícht überbewerten. "Russland hat seinen Status wiederhergestellt und einen Dialog mit den USA erreicht", sagte etwa der französische Diplomat und Analyst Michel Duclos. "Aber wenn man einen Krieg führt und die eigene Wirtschaft zusammenbricht, sind das begrenzte Gewinne." Russland bestreitet zwar einen Kollaps im Land, räumt aber Probleme durch die Kriegswirtschaft und die Gefahr einer Rezession ein. "Für Putin sind wirtschaftliche Probleme zweitrangig gegenüber seinen Zielen", hieß es dazu aus dem Umfeld des Kreml. "Aber Putin versteht die Verwundbarkeit und die damit verbundenen Kosten."